Bühne

Vernichtende Liebe in Kriegszeiten

Teresa Romano als großartige Amneris in ihrer leiderfüllten Szene, da sie um den vor Gericht stehenden Geliebten bangt.
© TFE/Bender

Jubel mit Störfaktor für Giuseppe Verdis „Aida“ bei den Tiroler Sommerspielen im Festspielhaus Erl.

Von Ursula Strohal

Erl –„Nicht ihr Frauen verfügt über euren Leib, sondern der Mann“, lautet ein Lehrsatz für die Dienerinnen am ägyptischen Hof. Aufbegehren wird streng bestraft, durch die Aufseherin, durch die Männer. Unter den Sklavinnen ist die äthiopische Königstochter Aida, die, wie Pharaonentochter Amneris, den ägyptischen Soldaten Radamès liebt. Da ein Krieg bevorsteht, wird er zum obersten Feldherrn ernannt. Amneris, die die Liebe zwischen Radamès und Aida spürt, überreicht ihm die Fahne. Die Weichen sind gestellt. Die Äthiopier unterliegen, ihr König Amonasro erpresst Aida, Radamès ein militärisches Geheimnis zu entlocken.

Die Zeiten sind längst vorbei, als Verdis „Aida“ zwischen Pyramiden und Elefanten im Ägypten-Kitsch ertrank. In Erl stellt die junge Regisseurin und Bühnenbildnerin Daniela Kerck die Geschichte in einen Einheitsraum, in dem eine hölzerne Hälfte in graue Zeitlosigkeit übergeht.

Ein bedeutungsvolles Symbol ist der abgerissene Parkettboden. Durch diesen Raum geht der Triumphmarsch, der auch hier keiner mehr sein kann, geht die psychisch bedrängte Nilszene, geht das Grab des Liebespaares.

Kerck lässt ganz konventionell viel auf- und abmarschieren, Stühle aufstellen und wegtragen, die Personenregie gelingt nicht immer, am wenigsten im Finale. Ihre Brüche und Interpretation setzt sie in die Handlung. Die Siegesfeier wird durch Videos von Astrid Steiner mit Tanz, Missbrauch und Kriegsbildern des Triumphes enthoben.

Die hochschwangere Priesterin (klangvoll: Giada Borrelli) kommt aus den Reihen der Sklavinnen, bringt ihr Kind Aida, ausgerechnet während deren heikler Nilarie. Im hochspannenden Konflikt kümmert sich Amonasro um das Kind.

Ramphis, dem Giovanni Battista Parodi die eindrucksvolle Studie eines finsteren Oberpriesters verleiht, hat viel Raum für seine Machtgelüste und bringt den König (absichtsvoll blass gezeichnet von Raphael Sigling) ob dessen Milde um. Es bilden sich in der Inszenierung Ideen ab, aber zu vieles bleibt unklar.

Dass die Absicht kriegbejubelnder Chöre durch Übertreibung verzerrt werden kann, ist ein wirkungsvolles Mittel, aber Dirigentin Audrey Saint-Gil dreht generell die Lautstärke auf. Phasenweise übertönen sich Chor und Orchester gegenseitig, in Tableaus und Ensembles drohen Einzelstimmen unterzugehen. Saint-Gil wählt gute Tempi, wo Verdi am subtilsten instrumentiert, leuchtet das Orchester auf.

Teresa Romano war bei der Premiere die führende Solistin mit prachtvollem Mezzosopran und souveräner, fesselnder Gestaltung. Ferdinand von Bothmer imponierte als belastbarer Radamès mit heldischen Tönen, ohne seine Lyrik aufzugeben. Andrea Silvestrelli konturierte den Amonasro. Die Aida von Maria Katzarava hat einen schönen Spinto-Sopran, aber nicht das verlangte Piano in der Höhe und intoniert oft zu tief.

Am Ende großer Jubel mit einigen Buhs und grellen Pfiffen.