Neuer Rückschlag für Atomabkommen mit dem Iran
Der Iran hat erklärt, dass er sich ab sofort nicht mehr an das im Wiener Atomabkommen erlaubte Limit zur Urananreicherung gebunden fühlt und drohte mit der Aufgabe weiterer Atom-Verpflichtungen in 60 Tagen. „Ab heute halten wir uns nicht mehr an die 3,67 Prozent und unsere Urananreicherung wird je nach Bedarf erhöht“, sagte Regierungssprecher Ali Rabei am Sonntag in Teheran.
Die Begrenzung der Urananreicherung auf maximal 3,67 Prozent ist eine zentrale Auflage des 2015 in Wien geschlossenen Abkommens, mit dem der Iran am Bau einer Atombombe gehindert werden soll.
Der Iran werde die Urananreicherung je nach technischem Bedarf schrittweise auf 5 bis 20 Prozent erhöhen, sagte der Sprecher der iranischen Atomorganisation, Behrouz Kamalvandi, auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Rabei und Vizeaußenminister Abbas Araghchi. Derzeit gebe es jedoch noch keine Anweisungen für eine Anreicherung auf 20 Prozent, die für den medizinischen Reaktor in der iranischen Hauptstadt Teheran erforderlich sei, sagte Kamalvandi.
Vizeminister Araghchi bezeichnete den iranischen Schritt als legitim und im legalen Rahmen des Wiener Abkommens. „Wir haben nach dem Ausstieg der USA im vergangenen Jahr der Diplomatie ein Jahr Zeit gegeben ... aber ohne Ergebnisse“, sagte Araghchi. Dennoch sei der Weg für eine diplomatische Lösung weiterhin offen. Teheran hoffe, dass eine „Lösung“ mit den verbliebenen Vertragspartnern des Atomabkommens gefunden werde, „sonst eröffnen wir in 60 Tagen die dritte Phase“, sagte Araghschi.
Präsident Hassan Rouhani habe am Samstagabend ein konstruktives Telefonat mit seinem französischen Amtskollegen Emmanuel Macron über weitere Verhandlungen dazu geführt, sagte der Vizeminister. Dabei sei es vor allem um ein Außenministertreffen der sechs verbliebenen Vertragspartner - das sind Russland, China, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und der Iran - gegangen.
Die USA sind 2018 aus der Vereinbarung mit Teheran ausgestiegen. US-Präsident Donald Trump hat zudem Sanktionen gegen das Land verhängt, die jedem wirtschaftliche Nachteile androhen, der iranisches Öl kauft. Damit will er die Einnahmen der Islamischen Republik drastisch vermindern und Teheran politisch gefügiger machen.
Das Abkommen aus dem Jahr 2015 sieht eine Höchstgrenze von 3,67 Prozent bei der Uran-Anreicherung vor. Seit der einseitigen Aufkündigung des Abkommens durch die USA im vergangenen Jahr ist die Zukunft des Vertrags ungewiss. Deutschland und die EU pochen auf dessen Einhaltung. Anfang der Woche hatte der Iran bereits die erlaubte Menge von 300 Kilogramm niedrig angereichertem Uran überschritten.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu verurteilte die Pläne des Iran zur Uran-Anreicherung. Das sei ein „sehr, sehr gefährlicher Schritt“, sagte er am Sonntag im Kabinett. Der Iran breche sein im Atomabkommen gegebenes Versprechen, Uran nicht über einen bestimmtes Niveau hinaus anzureichern.
Netanyahu bekräftigte seine Forderung an Frankreich, Großbritannien und Deutschland, Sanktionen gegen den Iran zu verhängen. „Die Anreicherung von Uran hat nur einen Zweck - Atomwaffen zu bauen“, sagte der israelische Regierungschef, ein scharfer Gegner des 2015 ausgehandelten internationalen Atomabkommens.
Die EU zeigt sich in höchster Sorge. „Wir sind extrem besorgt über Irans Mitteilung, dass es mit der Urananreicherung über dem Limit von 3,67 Prozent begonnen hat“, sagte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini am Sonntag. „Wir rufen den Iran dringend auf, alle Aktivitäten, die den Verpflichtungen (...) zuwider laufen, zu stoppen und rückgängig zu machen.“
Die EU sei mit den übrigen Vertragspartnern bezüglich der nächsten Schritte im Kontakt. „Wir warten auf weitere Informationen der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA“, sagte die Sprecherin.
Rückhalt bekommt der Iran indes aus Russland. Bei allem Bedauern über die iranischen Handlungen halte sich Teheran letztlich an die juristischen Grundsätze, sagte der Chef des Auswärtigen Ausschusses im russischen Föderationsrat, Konstantin Kossatschow, der Agentur Interfax am Sonntag. Zuerst seien die USA ausgestiegen, dann habe sich die Europäische Union schwer getan mit der Einhaltung ihrer Verpflichtungen. „Der Ball liegt auf der amerikanischen Seite“, sagte Kossatschow. Nur die USA könnten den Deal noch retten. Sein Kollege vom Verteidigungsausschuss, Franz Klinzewitsch, sagte, dass aber zu befürchten sei, dass die USA nun eher noch Schritte unternehmen könnten, die den Prozess der Urananreicherung im Iran noch beschleunigen.
Der Moskauer Außenpolitiker Alexej Tschepa in der Staatsduma sagte, dass jetzt dringende Konsultationen auf internationaler Ebene nötig seien. Die Lage sei sehr ernst. Russland könne als Vermittler in dem Konflikt auftreten, meinte er. Die Iraner hätten zu jeder Zeit ihren Verpflichtungen bei dem Atomdeal eingehalten, sagte Tschepa.