Der 50. Carinthische Sommer ist eröffnet

„Die Zeit reist“ lautet heuer das Motto des Carinthischen Sommers, der 2019 sein 50-Jahr-Jubiläum feiert. Und dafür reiste nicht nur die Zeit, sondern auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen, und zwar nach Villach. Im dortigen Kongresszentrum wurde am Sonntagabend die Jubiläumsausgabe des Festivals eröffnet - mit Philosophien über die Zeit, unter anderen durch Festrednerin Kathrin Röggla.

Mit einem Witz könne sie leider nicht eröffnen, beschied die Schriftstellerin: „Ich bin sehr schlecht im Witze erzählen. Nicht nur schlechtes Timing ist mein Problem, ich verlaufe mich regelrecht in ihnen, nehme Pointen vorweg oder vergesse sie.“ Stattdessen philosophierte die Wahlberlinerin passend zum Festivalmotto über das Wesen der Zeit. Dass diese - gemäß Shakespeare - aus den Fugen sei, da stimme derzeit jeder zu. Was das bedeute, darüber herrsche aber schon wieder Uneinigkeit.

Klar sei nur, dass sich die Zeitgenossen auf der Suche nach dem Rückwärtsgang befänden: „Eine Epoche, die sich nicht mehr in zukünftige bessere Zeiten träumt, sondern in eine Vergangenheit hinein, hat ein Problem.“ Und so sehr sich die Menschheit durch Multitasken im Beruf, das Verrinnen der verbleibenden Zeit zur Verhinderung einer Klimakatastrophe oder den Multiplikator der (Sozialen) Medien getrieben fühle, sei doch die allgemeine Alternativlosigkeit ausgebrochen.

„Zukünftigkeit zurückzuerobern gehört längst zu den Grundaufgaben der Kunst mit all ihren Möglichkeitsformen“, beschied Röggla. Und da käme gerade der Musik mit ihrer Taktung und ihrem Rhythmus eine besondere Bedeutung zu.

„Mit dem Thema Zeit haben Sie sich ein denkbar schwieriges ausgesucht“, konstatierte Bundespräsident Van der Bellen den Organisatoren - und griff den Ball auf. „Gibt es unsinnige Redewendungen? Eine gibt es ganz bestimmt: Zeit sparen.“ Der Ablauf der Zeit sei nun einmal irreversibel. Zugleich müsse man die Frage stellen: „Was zum Teufel war früher wirklich besser?“, so der Bundespräsident im Verweis auf Besuche beim Zahnarzt oder das Frauenwahlrecht. Man dürfe sich nicht in Nostalgie nach einer Zeit, die so nie existiert habe, ergehen: „Die gute, alte Zeit ist tot - und sie bleibt es auch.“ Gefragt sei weniger Zögerlichkeit und mehr Entschlossenheit.

Intendant Holger Bleck, der für den Auftakt des Abends vor dem Kongresszentrum wie schon im Vorjahr mit Jury Everhartz‘ „Fanfare für Kärnten“ eine Uraufführung in Auftrag gegeben hatte, nahm das Jubiläum seines Festivals in Anwesenheit von Kärntens Landeshauptmann und Kulturreferent Peter Kaiser (SPÖ) zum Anlass für einen allgemeinen Appell: „Vielfalt statt Einfalt, Evolution statt Stagnation.“ Der Carinthische Sommer präsentiere wie schon seit seinen Anfängen Musik in vielen Dimensionen und weise damit weit über den engen Bereich der Kultur hinaus: „Feiern wir also nicht nur 50 Jahre Festival. Feiern wir das Leben, die Lebendigkeit, die Außerordentlichkeit des Augenblicks. Und so vermag gerade die Musik die Zeit still stehen zu lassen.“

Anstelle von Stillstand ging es aber Schlag auf Schlag, stand am unmittelbar folgenden Beginn des CS doch gleich das Finale - das des Belvedere Gesangswettbewerbs nämlich. Der seit einigen Jahren durch die Welt tourende Bewerb für den Opernnachwuchs, dem Bleck und Gründerwitwe Isabella Gabor vorstehen, macht heuer in Kärnten Station. Das Kärntner Sinfonieorchester unter Leitung von Alexander Joel begleitete die Finalisten durch die Entscheidungsrunde, die als Galakonzert zugleich den künstlerischen Auftakt des Carinthischen Sommers 2019 markierte.

Bis zum Schlusspunkt am 28. August, den das Sinfonieorchester der Stadt Birmingham wieder im Congress Center Villach setzen wird, sind in den kommenden Wochen zahlreiche Programmpunkte in ganz Kärnten angesetzt. So gestaltet etwa der Jazzgitarrist und Komponist Helmut Jasbar mit drei Ensembles eine eigene Konzertreihe. Das Prisma Wien (5. August, Stiftskirche Ossiach) und das Metropolitan Youth Symphony (29. Juli, Congress Center Villach) bieten Orchesterabende, während im Klagenfurter Dom (10. August) und der Stadtpfarrkirche Villach (27. Juli) Orgelkonzerte angesetzt sind.

Unter dem Schlagwort „Große Stimmen“ sind an mehreren Terminen Kärntner Lieder ebenso subsumiert wie klassisches Liedgut oder Chorkonzerte. Und die Picknick-Konzerte auf Schloss Damtschach (3. und 24. August) finden sich ebenso im Jubiläumsprogramm wie die Carinthischen Musiksalons oder die Schiene „CS unterwegs“ an verschiedenen öffentlichen Orten. Um sich den gesamten Carinthischen Sommer zu Gemüte zu führen, benötigt man also vornehmlich eines: Zeit.

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