Griechenland wählt Konservative an die Macht
Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras muss gehen - die Wähler in dem krisengeschüttelten Land haben sich bei der Parlamentswahl klar für die konservative Partei Nea Dimokratia entschieden. Die Partei von Kyriakos Mitsotakis erzielte am Sonntag laut amtlicher Hochrechnung 39,6 Prozent. Die bisherige linke Regierungspartei SYRIZA von Tsipras kam auf 31,6 Prozent.
Im 300-köpfigen Parlament bedeutet das die absolute Mehrheit von mindestens 158 Sitzen, weil der Wahlsieger zur Vereinfachung der Regierungsbildung 50 Sitze zusätzlich erhält. SYRIZA kann demnach mit 86 Sitzen rechnen. Ausgezählt waren bis zum Abend zunächst 67 Prozent der Stimmzettel.
Die genaue Sitzverteilung hing maßgeblich davon ab, ob mehreren kleinen Parteien der Einzug ins Parlament gelungen war. Ins Parlament schafften es außerdem die sozialdemokratische Partei KinAl (Bewegung des Wandels) mit etwa 8 Prozent (22 Sitze), gefolgt von den Kommunisten mit 5,4 Prozent (15 Sitze). Die Drei-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament übersprangen auch die rechtspopulistische und pro-russische Griechischen Lösung (Elliniki Lysi) sowie die Partei des ehemaligen Finanzministers Yannis Varoufakis, MeRA25. Ob die rechtsextreme Goldene Morgenröte die Drei-Prozent-Hürde schafft, war am Sonntagabend zunächst noch offen. Laut amtlicher Hochrechnung lag die Partei bei 2,97 Prozent.
In einer ersten Ansprache nach seinem Wahlsieg sprach Mitsotakis den Griechen Mut zu. „Ich werde für alle Griechen da sein, ich werde hart arbeiten“, sagte er in Athen. Der Wahlausgang habe nicht nur den Wunsch zum Ausdruck gebracht, dass die schweren Zeiten der Krise endeten. „Es war mehr - es geht darum, unser Glück selbst in die Hand zu nehmen, selbst Verantwortung zu übernehmen. Jetzt krempeln wir die Ärmel hoch!“
Medienberichten zufolge könnte Mitsotakis bereits am Montag zu Mittag von Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos vereidigt werden. Dass die Regierungsbildung schnell geht und keine Zeit verloren wird, war nach Ansicht politischer Beobachter ein wichtiger Grund für viele Griechen, konservativ zu wählen.
„Die Menschen wollten eine vernünftige Lösung, eine proeuropäische Partei, die keinen Koalitionspartner braucht, der womöglich bremst, und die ihr Programm schnell umsetzen kann“, sagte der in Griechenland bekannte Demoskop Dimitris Mavros. Den Wählern sei bewusst, dass die Lage des Landes immer noch heikel sei und sich auf keinen Fall verschlimmern dürfe.
Mitsotakis‘ Partei gilt als wirtschaftsfreundlich. Der Wahlsieger hatte im Wahlkampf versprochen, die Wirtschaft Griechenlands zu reformieren und neue Arbeitsplätze abseits des öffentlichen Sektors zu schaffen. Dafür will der 51-Jährige um ausländische Investitionen werben und Steuern für Unternehmen senken. Zurzeit sind mehr als 18 Prozent der Griechen ohne Job.
Auch mit der Günstlingswirtschaft, die insbesondere den konservativen Vorgängerregierungen vorgeworfen wurde, will er aufräumen. Der Harvard-Absolvent stammt selbst aus einer regelrechten Politikerdynastie. Sein Vater, Konstantinos Mitsotakis, war bereits griechischer Ministerpräsident und Präsident der ND. Seine Schwester war Außenministerin und Bürgermeisterin von Athen. Im Juni wurde sein Neffe zum Bürgermeister der Hauptstadt gewählt.
Tsipras räumte unterdessen seine Niederlage ein. Er habe Mitsotakis bereits telefonisch gratuliert, verlautete aus dem Büro des Regierungschefs in Athen. Die Niederlage des linken Regierungschefs führen Beobachter auf die harten Sparmaßnahmen der vergangenen Jahre zurück, die hauptsächlich die Mittelklasse getroffen haben. Ein großer Teil des Mittelstands, der in Griechenland traditionell über den Ausgang der Wahlen entscheidet, hat demnach der SYRIZA den Rücken gekehrt und auf die Konservativen gesetzt. Auch viele Pensionisten wandten sich von der linken Partei ab, nachdem Tsipras mehrere Pensionskürzungen durchgeführt hatte.
Die regierende SYRIZA war bereits bei der Europawahl Ende Mai von den Wählern abgestraft worden. Ministerpräsident Tsipras hatte die für Oktober angesetzten Parlamentswahlen daraufhin vorziehen lassen. Der Finanz- und Schuldenmisere zum Trotz, welche die Eurozone in die größte Krise ihres Bestehens stürzte, hatte sich der heute 44-jährige SYRIZA-Chef vier Jahre an der Regierung gehalten.
Im August 2018 verließ Griechenland schließlich den Euro-Rettungsschirm. Die Arbeitslosigkeit ist in Tsipras‘ Regierungszeit von 26 auf 18 Prozent gefallen. Mit fast 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ist die griechische Gesamtverschuldung aber weiterhin bei weitem die höchste in der Eurozone.
Wahlberechtigt waren rund zehn Millionen Bürger. Das verwirrt zunächst, weil Griechenland nur knapp elf Millionen Einwohner hat. Allerdings gibt es mehr als drei Millionen griechische Staatsbürger, die im Ausland leben - vor allem in den USA, in Australien und Kanada. Weil es in Griechenland keine Briefwahl gibt, fallen ihre Stimmen weg, es sei denn, sie reisen eigens zur Wahl in die Heimat. Zudem wird vermutet, dass in griechischen Wahllisten bis heute etliche Tote aufgeführt sind, was die Zahl der potenziellen Wähler ebenfalls verfälscht. Griechische Medien gehen davon aus, dass die tatsächliche Zahl der Wahlberechtigten bei rund 6,5 Millionen liegt.