Gemeindebund-Präsident Riedl: “13./14. Gehalt für Pflege verwenden“
Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl fordert bessere Bedingungen für Bürgermeister – und dass Menschen, die stationär gepflegt werden, mit dem 13. und 14. Gehalt zur Finanzierung beitragen.
Von Karin Leitner
Wien –Alfred Riedl behagt, wie die Experten rund um Kanzlerin Brigitte Bierlein agieren. „Sie bauen keine politischen Hürden für die nächste Regierung auf, sie gehen pragmatisch an die Themen heran – und sie arbeiten ab, was notwendig ist“, befindet der Präsident des Gemeindebunds im Gespräch mit der Tiroler Tageszeitung. Abgesehen davon: „Es ist herausfordernd, neuen Ministern die Welt der Gemeinden zu erklären. Kaum kennt man sie, sind sie auch schon wieder weg.“ Im jetzigen Fall sei das anders: „Das Wissen bleibt, auch wenn die Experten keine Minister mehr sind – weil sie uns etwa als Sektionschefs erhalten bleiben.“
Wie bewertet Riedl das „freie Spiel der Kräfte“ im Hohen Haus – ÖVP und FPÖ sind bei Abstimmungen ja nicht mehr an den Koalitionspakt gebunden? „Dass das Parlament nun im Mittelpunkt steht, ist gut. Ich hoffe aber, dass nicht das Vorwahlfieber ausbricht – und die Gemeinden die Zeche für Wahlzuckerln zahlen müssen. In den Jahren 2008 und 2017 ist das aus parteitaktischen Gründen ja aus dem Ruder gelaufen.“ Angesichts der jüngsten Beschlüsse im Nationalrat sei er „noch ganz entspannt. Es gibt wohl eine Sondersitzung im August und eine reguläre im September, damit kurz vor der Nationalratswahl.“
Schon jetzt seien die Kommunen am pekuniären Limit. „Pausenlos sind ihnen vom Bund und den Ländern zusätzliche Aufgaben und damit Kosten übertragen worden.“ Etwa im Schulbereich: „Wir sind nur Schulerhalter. Es wurden uns aber Stützkräfte, Sozial- und Freizeitpädagogen und administrative Leute aufs Aug’ gedrückt. Das müssen die Gemeinden finanzieren.“ Ein Gutachten des Verwaltungsrechtlers Bernhard Raschauer habe ergeben, dass das verfassungswidrig ist. Wird der Gemeindebund deswegen zum Höchstgericht gehen? „Wir wollen mit Bund und Ländern verhandeln. Nur wenn weder der Bund noch die Länder zahlen wollen, könnten wir einen Richter brauchen. Wir tragen die Kosten jedenfalls nicht.“
In Sachen Pflege hat Riedl ebenfalls Begehrlichkeiten: „Wer einen Menschen ab der Pflegestufe 4 betreut, dem sollten Pensionszeiten angerechnet werden. Über 14 Jahre haben wir über die Anrechnung von Kindererziehungszeiten debattiert. Das gibt es jetzt. Das müsste auch für die Pflege gelten.“ Wegen der fordernden und belastenden Tätigkeit sollten pflegende Angehörige auf Kur gehen können. „Qualitatives Unterstützungspersonal“ für jene, die zu Hause gepflegt werden müssen, sei ebenfalls vonnöten, sagt Riedl.
Von Menschen, die stationär gepflegt werden, wird derzeit das Einkommen einbehalten; 20 Prozent der Pension bleiben als Taschengeld. Sonderzahlungen – das 13. und 14. Gehalt – werden nicht angetastet. „Im Juni und November kommen dann immer Besucher im Pflegeheim vorbei, die man den Rest des Jahres dort nicht sieht. Sie holen die Sonderzahlungen ab“, berichtet Riedl. Und er plädiert dafür, die Sonderzahlungen anderweitig zu verwenden: „Jemand, der stationär gepflegt wird, sollte auch sein 13. und 14. Gehalt für die Finanzierung verwenden müssen.“
Riedl, ein ÖVP-Mann, ist nicht nur Gemeindebund-Chef, er ist auch seit 30 Jahren Bürgermeister – im niederösterreichischen Grafenwörth. Woran liegt es, dass immer weniger Leute bereit sind, für ein solches Amt zu kandidieren? Riedl nennt mehrere Gründe für den Polit-Nachwuchsmangel in den Kommunen: „Ortschefs haben keine sozialrechtliche Absicherung. Das sollte geändert werden. Wenn sie ein bis zwei Perioden arbeiten, haben sie keine Entgeltfortzahlung. Die Entlohnung ist nicht adäquat im Vergleich zu der in der Privatwirtschaft – und sie steht in keinem Verhältnis zur Verantwortung. Sie sollte erhöht werden. Und bei jeder Entscheidung steht ein Bürgermeister mit einem Fuß im Kriminal.“
Minister und Abgeordnete hätten „keine strafrechtliche Verantwortung, ein Bürgermeister hat diese. Wenn er Verzugszinsen nicht in Rechnung stellt bei einem Abgabenbescheid, steht er vor dem Staatsanwalt. Wenn in einem Teich ein Hecht ist, von dem ein Schwimmer gebissen werden könnte, wird der Bürgermeister bestraft. Diesen Fall gab es, einer musste 14.000 Euro zahlen“, sagt Riedl. Und weil ein Ortsoberer „an der Front“ sei, „bekommt er die Emotionen einer zunehmenden Wutgesellschaft zu spüren – Beschimpfungen, Bedrohungen, auch via soziale Netzwerke. Das fordert psychisch.“ Zu hören bekämen die Betroffenen oft: „Du bist eine öffentliche Person. Du musst das aushalten.“ Das sei „demokratiepolitisch bedenklich“, sagt der Vertreter von 2085 Kommunen. „Es muss mehr Strafbestimmungen gegen Hass im Netz geben.“ In Richtung höherrangige Politiker konstatiert Riedl: „Eigentlich müsste jeder Minister und Abgeordnete Bürgermeister gewesen sein, damit er weiß, wie es vor der Haustüre zugeht.“