Krieg, Hunger und Elend im Jemen allgegenwärtig
Zerstörte Hausfassaden, Menschen, die hungern und fehlende medizinische Versorgung - die derzeitige Lage im vom Bürgerkrieg überschatteten Jemen ist problematisch. Die Hilfsorganisation CARE hat 300 Helfer im Süden der arabischen Halbinsel stationiert, um vor Ort zu helfen. Im Interview mit der APA erläuterte Jennifer Bose, eine der 300 CARE-Helfer, am Mittwoch die akutesten Probleme im Jemen.
„Die Auswirkungen des Krieges sind im Jemen überall zu sehen und zu spüren“, erzählte Bose. Seit über vier Jahren kommt es dort zu gewaltsamen Konflikten zwischen der von Saudi-Arabien geführten internationalen Militärkoalition, welche die jemenitische Regierung unterstützt, und den Houthi-Rebellen. Die deutsche CARE-Helferin musste das Telefon-Interview mit der APA sogar kurzzeitig unterbrechen, da Schüsse in ihrer Nähe gefallen waren. „Man weiß da leider nie, ob die Schüsse eine Gefahr darstellen“, erzählte Bose im Anschluss.
Bose ist seit Anfang Juli im Jemen. Sie wird noch bis Ende des Monats in Aden versuchen, hilfsbedürftige Menschen mit Kleidung, Nahrung und finanziellen Mitteln zu unterstützen. Am 21. März 2015 wurde die Stadt Aden von Präsident Abd Rabbo Mansour Hadi zur Interimshauptstadt Jemens erklärt, da die offizielle Hauptstadt Sanaa von Houthi-Rebellen besetzt wurde.
„Viele der Familien, die ich besucht habe, hatten keinen Zugang zu Medizin oder Wasser, weil sehr viel Infrastruktur durch die Konflikte zerstört wurde“, erklärte Bose. Insgesamt seien über 24 Millionen Menschen im Jemen auf Hilfe angewiesen. Die CARE-Helferin gab dabei zu bedenken: „Das Ganze bei einer Gesamtbevölkerung von nur knapp 30 Millionen Menschen.“ Ein großes Problem dabei stellt laut Bose der schwache Arbeitsmarkt im Jemen dar: „Der Arbeitsmarkt und eigentlich die komplette Wirtschaft im Jemen sind komplett zusammengebrochen. Kaum jemand findet Arbeit.“ Unabdingbare Berufe, wie etwa von Ärzten oder Lehrern, würden entweder gar nicht oder von Freiwilligen besetzt, die auf ihr Gehalt verzichten. Die UNO beschreibt die derzeitige Lage im Jemen als die schlimmste humanitäre Krise weltweit.
Aufgrund der katastrophalen wirtschaftlichen Lage aber auch aufgrund von akuter Gefahr durch militärische Angriffe mussten viele Menschen flüchten. „Über 3,6 Millionen Menschen haben im Laufe des Bürgerkriegs ihre Heimat verlassen. Viele davon mussten innerhalb von Minuten fliehen. Alles, was sie mitnehmen konnten, war die Kleidung, die sie an ihren Körpern trugen“, erzählte Bose. Alleine im Jahr 2019 sind laut Informationen der CARE-Helferin 200.000 Menschen aus ihrer Heimat in umliegende Gebiete geflohen.
Diejenigen, die im Jemen besonders auf Hilfe angewiesen sind, seien Kinder und Frauen. „Die Situation von Frauen im Jemen ist wirklich katastrophal“, erklärte Bose. Bereits vor dem Ausbruch des Bürgerkrieges hätten Frauen „sehr wenige Rechte zugesprochen bekommen und zum Beispiel nur sehr eingeschränkten Zugang zu Bildung“. Der Krieg habe die Situation, wie die CARE-Helferin kritisierte, enorm verstärkt. „Hinzu kommt, dass mehr und mehr Frauen zu Alleinversorgern werden, weil ihre Männer entweder tot sind oder keine Arbeit finden“, sagte Bose. Das führe zu angespannten Dynamiken und häufig auch zu Gewalt, die gegen Frauen gerichtet sei.
Aufgrund der allgemeinen Mangelversorgung an Lebensmitteln seien sehr viele Kinder im Jemen unterernährt. „Ich habe auch schon viele Kinderehen gesehen, da manche Familien ihre Töchter lieber an eine andere Familie binden, als selbst für deren Versorgung sorgen zu müssen“, erläuterte Bose. Auch die geschlossenen Schulen im Jemen stellen für die CARE-Helferin ein großes Problem dar: „Viele Kinder müssen bereits ab jungem Alter arbeiten und Geld verdienen, um ihre Familie zu unterstützen. Zeit für die Schule bleibt da nicht und außerdem sind die meisten Schulen geschlossen.“ Das könnte vor allem in Zukunft zu einem großen Problem werden, da einer ganzen Generation die allgemeine Bildung fehle.
„Die Krise im Jemen ist absolut unterfinanziert und mit jedem Tag, der vergeht, droht sie mehr und mehr in Vergessenheit zu geraten, zumindest im Westen“, gab Bose zu bedenken und erläuterte: „Von den vier Milliarden Euro, welche die humanitäre Gemeinschaft bräuchte, um den Menschen im Jemen zu helfen, sind bis dato nur 31 Prozent finanziert.“ Neben mehr finanzieller Unterstützung fordert Bose die Politiker in der EU auf, eine politische Lösung für den Konflikt im Jemen zu finden. „Um den Menschen langfristig zu helfen, braucht der Jemen ein Ende des Krieges, und das ist nur mit einer politischen Lösung zu erreichen“, so Bose. Eine solche politische Lösung zur Beendigung des Bürgerkrieges gestalte sich jedoch „auf jeden Fall etwas komplizierter“, da, wie Bose anmerkte, nicht nur die jemenitische Regierung gegen die Houthi-Rebellen kämpfe, sondern auch andere Länder wie der Iran und Saudi Arabien oder Terrorgruppen wie Al Kaida und der Islamische Staat (IS) aktiv in das politische Geschehen im Jemen eingreifen würden.
Die Hilfsorganisation CARE ist derzeit mit 300 Helfern im Jemen. „Wir erreichen eine Million Menschen im Monat und unterstützen sie finanziell, mit Nahrung und Medizin“, erläuterte Bose die Tätigkeiten der NGO. Wichtig sei für die CARE-Helferin, dass nicht nur akut geholfen, sondern auch langfristige Hilfe bereitgestellt werde. So bemühe man sich, mit verschiedenen Projekten die Infrastruktur wieder aufzubauen, Arbeitsplätze zu schaffen und den Menschen im Jemen wieder eine Lebensgrundlage zu bieten. Auch im Kampf gegen Cholera ist CARE aktiv, verteilt Hygienepakete und bietet Hygiene-Schulungen an.