Zwischen Nepal und Tirol: Auf der Alm, da ist Phurba gern
Im Winter besteigt er den Mount Everest, im Sommer bewirtet er bereits zum vierten Mal die Gäste auf der Umbrüggler Alm, und auch sonst hat Phurba Thiley Sherpa eine ganz besondere Beziehung zu Tirol.
Von Theresa Mair
Innsbruck –Zur Begrüßung faltet Phurba Thiley Sherpa die Hände vor der Nase. Er verneigt sich leicht und dabei huscht ein schüchternes Lächeln über sein Gesicht. Sogleich reicht er den Besuchern die Hand. Er kennt sich inzwischen besser mit den Tiroler Gepflogenheiten aus, als die Gäste über seine nepalesische Heimat Bescheid wissen. Denn es ist bereits der vierte – wahrscheinlich letzte – Sommer, den er auf der Umbrüggler Alm in Innsbruck verbringt. Am 17. Juni ist er angekommen, Ende Oktober fliegt er zurück. Doch schon jetzt klingt die Wehmut bei Almwirtin Sonja Schütz durch, wenn sie von ihrem „Phurbale“ erzählt.
„Es gibt keinen Koch, der die Schnitzel in der Pfanne so soufflieren kann wie er. Er ist clever und etepetete“, schwärmt sie. Aber nicht nur das. Er sei ausdauernd, wenn auf der Alm viel los ist, und nie gestresst. Fast meditativ sei es, wenn man ihm beim Schwammerlputzen zuschaut. „Das ist eine Arbeit, die sonst keiner gerne macht“, sagt Schütz. Phurba macht das nichts aus. „Alle sind sehr hilfsbereit zu mir“, sagt er. Und angesprochen auf seine Deutschkenntnisse: „Ich bin glücklich.“
Alle lieben Phurba. Vor allem die Kolleginnen auf der Alm hätten ihn heuer wieder sehnsüchtig erwartet. „Die schmusen ihn immer ab“, sagt Schütz lachend und umarmt ihn selbst. Insgeheim würde sie ihn wohl am liebsten in Tirol unter die Haube bringen. Das geht aber nicht.
Denn Phurba baut im Rolwaling-Tal, der Gegend, aus der er stammt, ein Gästehaus auf 3800 Metern. Der Rohbau steht schon. Das Geld dafür verdiente er auf der Umbrüggler Alm und als „Climbing Sherpa“, also als Bergführer im Himalaya.
Phurba ist 26 Jahre alt und er kennt Josef Einwaller, den er Papa Joe nennt, schon länger als sein halbes Leben. Einwaller reist seit drei Jahrzehnten regelmäßig nach Nepal. „Das Rolwaling-Tal kennt hier niemand. Es wird auch ,das vergessene Tal‘ genannt. Die Jungen sind alle in die Stadt gegangen“, sagt Einwaller, der mit der NepalHilfe Tirol (siehe Box) u. a. eine Schule und eine Krankenstation in der Region errichtet hat.
„Es gibt keinen Strom, kein fließendes Wasser und kein Internet“, erzählt Phurba. Die Bilder von dem Menschenstau am Everest, die heuer im Frühjahr schockiert haben, seien eine Momentaufnahme. Es gebe keinen Massentourismus in Nepal. Im Gegenteil: „Wir brauchen mehr Touristen.“ Das Foto sei entstanden, als nach langem Schlechtwetter die Verhältnisse gepasst hätten. „Da wollen dann alle auf den Gipfel“, erklärt er. Phurba hofft, dass er mit seiner Lodge und Trekking-Angeboten mehr Touristen ins Tal locken kann. Das Know-how dafür hat er sich auf der Alm angeeignet. Während der Almsommer wohnt Phurba bei Einwaller auf der Hungerburg. Ein tragisches Ereignis hat die beiden zusammengeschweißt.
Phurba hat vier Schwestern und sieben Brüder. Der Vater ist gestorben, der zweitälteste Bruder verunglückte bei einem Lawinenabgang. Einwaller kannte ihn von gemeinsamen Expeditionen. Dieser Bruder hatte Phurba mit in die Hauptstadt Kathmandu genommen, wo er als Einziger der Familie zur Schule gehen konnte. Die Geschwister wollten deshalb nicht, dass Phurba auch Bergsteiger wird. Vergebens. Inzwischen hat er viermal den Gipfel des Mount Everest erklommen. Stolz berichtet der nur 47 Kilo leichte Mann – der aber 40 Kilo den Berg hinauftragen kann – von zwei Weltrekorden, die er mit seinen Geschwistern am Everest erzielt hat. Sein Ziel ist: „Vielleicht schaffe ich den Rekord der häufigsten Everest-Besteigungen.“
Zuletzt ist er nur zwei Wochen vor seiner Ankunft in Tirol vom höchsten Berg der Welt zurückgekehrt. „Da mussten wir ihn erst aufpäppeln. Er war krank und hat sieben Kilo abgenommen“, sagt Schütz. Lieber als neue Bergabenteuer würde sie sehen, wenn er mit dem Hausbau vorankommt. „Ich komme ihn nur besuchen, wenn er eine Dusche hat.“
Dafür muss er aber noch sparen. Während er anfangs noch unter Heimweh litt, würde er nun gerne wiederkommen. Noch ist Phurba aber nicht weg und das ist für Schütz ein Grund zu feiern: Am 30.8. wird Phurba auf der Alm eine nepalesische Kleinigkeit kochen und Einblicke in sein Land sowie sein Lodge-Projekt geben.
22 Sherpas auf Tiroler Almen
Seit 15 Jahren läuft das Sherpaprojekt der NepalHilfe Tirol und auch heuer beteiligen sich 22 Wirte daran. Im Rahmen eines nach Kollektivvertrag bezahlten Praktikums (plus bezahlter Flüge und Visa) können Sherpas vier Sommer lang Erfahrung auf Tiroler Alpenvereinshütten, Almen und Berggasthäusern sammeln. Ziel ist Hilfe zur Selbsthilfe, indem die Sherpas ihre Tourismus-Erfahrung zuhause umsetzen können. Interessierte haben am 14.9. die Gelegenheit, mit dem Alpinisten und NepalHilfe-Gründer Wolfgang Nairz zur Neuen Pforzheimer Hütte zu wandern und mehr über das Sherpaprojekt zu erfahren. Anmeldung: info@ nepalhilfe-tirol.at(thm)