Russischer Oppositioneller Nawalny laut Anwältin vergiftet
Die Anwältin des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny hat die Erkrankung ihres Mandanten auf eine Vergiftung zurückgeführt. Nawalny sei mit einer unbekannten chemischen Substanz in Kontakt geraten, sagte Olga Michailowa am Montag zu Journalisten. Diese Vermutung hatte zuvor schon Nawalnys Ärztin Anastasia Wassiljewa erhoben.
Wassiljewa teilte unterdessen mit, Nawalny sei gegen ihren Rat aus dem Krankenhaus zurück ins Gefängnis gebracht worden. Der 43-Jährige war zu 30 Tagen Haft verurteilt worden, weil er zur Teilnahme an einer verbotenen Kundgebung am Samstag aufgerufen hatte. Einen Tag nach den regierungskritischen Demonstrationen mit mehr als 1.000 Festnahmen war Nawalny mit angeschwollenem Gesicht und Hautrötungen ins Krankenhaus eingeliefert worden
Bereits zuvor hatte Wassiljewa eine Vergiftung nicht ausgeschlossen. Eine Schwellung im Gesicht und andere Symptome könnten auf giftige Chemikalien zurückzuführen sein, so die Ärztin bei Facebook. Weder Nawalny noch dessen Angehörige hätten bisher eine Diagnose genannt bekommen. „Alexej hat keine Allergien“, erklärte Wassiljewa.
Michailowa hatte bei Facebook geschrieben, es sei komisch, dass ein Mensch in 43 Lebensjahren noch keine allergischen Reaktionen gezeigt habe und sie dann plötzlich bekomme. Fünf Mitgefangene in der Zelle hätten die gleichen Lebensmittel wie Nawalny zu sich genommen. Ihnen gehe es jedoch gut.
Nawalny war am Sonntag aus der Haft in ein Krankenhaus gebracht worden. Seine Sprecherin Kira Jarmisch schrieb auf Twitter, er werde wegen einer akuten allergischen Reaktion behandelt. Sie sprach von einem geschwollenen Gesicht und geröteter Haut. Von Abszessen an Nacken, Rücken, Rumpf und Ellenbogen war die Rede. Gefordert wurde eine Untersuchung der Bettwäsche in seiner Gefängniszelle.
Die behandelnden Ärzte bezeichneten den Gesundheitszustand Nawalnys am Sonntag der Agentur Interfax zufolge als zufriedenstellend. Sie rechneten damit, dass er an diesem Montag wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden kann.
Der Nawalny-Vertraute Leonid Wolkow sagte dem russischen Radiosender Echo Moskwy, er selbst habe im Gefängnis einmal mit ähnlichen Symptomen zu kämpfen gehabt. In seinem Fall vermutete er Hygienemängel in der Haftanstalt als Ursache.
Nawalny war am Mittwoch zu 30 Tagen Gefängnis verurteilt worden, weil er zu Protestaktionen aufgerufen hatte, bei denen Oppositionelle die Zulassung unabhängiger Kandidaten bei den Regionalwahlen in sechs Wochen einfordern wollen. Es war nicht das erste Mal, dass er deswegen verurteilt wurde.
In Russland waren mutmaßliche Vergiftungen im politischen Milieu in der Vergangenheit immer wieder ein Thema. Zuletzt verdächtigte der Aktivist Pjotr Wersilow, Mitglied der russischen Polit-Punk-Gruppe Pussy Riot, den russischen Geheimdienst, ihn 2018 in Moskau vergiftet zu haben. Pussy Riot ist mit spektakulären Aktionen gegen Justizwillkür und Korruption weltweit bekannt geworden.
International für Schlagzeilen sorgte der Giftangriff auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter Julia im März 2018 im englischen Salisbury. Sie sollen mit dem Nervengift Nowitschok attackiert worden sein. Beide überlebten. Großbritannien macht Russland für den Anschlag verantwortlich. Moskau hat eine Verantwortung stets zurückgewiesen. Für Aufsehen hatte auch der Fall des Ex-Agenten und Kreml-Kritikers Alexander Litwinenko gesorgt, der 2006 in London mit radioaktivem Polonium vergiftet wurde. Die Spuren der Täter führten auch hier nach Moskau. Am Wochenende waren bei regierungskritischen Protesten in Moskau nach Angaben von Beobachtern mehr als 1.000 Menschen festgenommen worden.