In Sachen Festspiele Erl ist die Politik am Zug
Der Chef des Landesrechnungshofs ortet zu geringe Mitspracherechte des Landes bei den Tiroler Festspielen Erl: “Ein Aufsichtsrat hätte viel umfassendere Kontrollmöglichkeiten.“
Von Markus Schramek
Innsbruck, Erl –Reinhard Krismer ist ein zurückhaltender Mensch. Der Direktor des Landesrechnungshofes (LRH) weiß um die Exponiertheit seiner Funktion. Er und seine Mitarbeiter prüfen, ob Landesgeld sinnstiftend eingesetzt wird. Da kommen sensible Vorgänge zum Vorschein. Von Oktober bis März saß ein Team des LRH über den Büchern der Tiroler Festspiele in Erl. Gerade zu jener Zeit, als der vormalige Erl-Intendant Gustav Kuhn das Handtuch warf. Künstlerinnen hatten ihm sexuelle Übergriffe vorgeworfen.
Der Prüfbericht des LRH mit seinen rund 100 Seiten ist fertig, für Krismer ist die Arbeit erledigt. Er nimmt Stellung, ohne sich weit hinauszulehnen: „Wir haben viele Verbesserungsvorschläge für den Festspiel-Betrieb vorgelegt. Jetzt sind Landtag und Landesregierung am Zug.“
Das Land Tirol fördert die Festspiele mit derzeit 1,15 Millionen Euro jährlich. Der Bund schießt denselben Betrag zu. Mit Abstand größter Zahler in Erl ist aber jemand anderer. „Die Finanzierung der Festspiele erfolgt überwiegend durch Hans Peter Haselsteiner“, resümiert Krismer. Der Bauunternehmer (Strabag) ließ die Infrastruktur errichten. Und er deckt die Verluste ab.
Hauptkritikpunkt des LRH ist die Abschaffung des Aufsichtsrates im Jahr 2017. Damals wurden die Festspiele in eine gemeinnützige Privatstiftung der Familie Haselsteiner umgewandelt. Zweck dieser Übung war es, den Bund langfristig als Co-Finanzier zu verpflichten und erhöhte Mittel bereitstellen zu können. Eine Folge der Stiftungskonstruktion war aus Sicht des LRH allerdings diese: „Die Einfluss- und Mitwirkungsrechte des Landes Tirol in Erl wurden wesentlich eingeschränkt.“
Aktuell hat der Stiftungsvorstand, bestehend aus drei Personen, das Sagen. Haselsteiner selbst sowie VP-Landesrätin Beate Palfrader (für das Land) und Sektionschef Jürgen Meindl (für den Bund) sind im Vorstand vertreten. „Ein Aufsichtsrat hätte viel umfassendere Kontrollmöglichkeiten“, sagt Krismer.
Palfrader hat den Ball des LRH-Chefs umgehend aufgenommen: Sie ist für die Wiedereinsetzung des Aufsichtsrates. Doch Haselsteiner ist gegen ein zusätzliches Kontrollgremium. Sein Argument: Dadurch werde lediglich die Bürokratie aufgebläht.
Ex-Intendant Kuhn erhielt in Erl kein Geschäftsführergehalt, wie dem Prüfbericht zu entnehmen ist. Zwar wäre ihm „ein variabler Bruttobezug“ von maximal 150.000 Euro pro Jahr zugestanden. Dies allerdings nur im Falle eines Jahresüberschusses, was aber nie der Fall war.
Statt eines Gehalts bekam Kuhn einen pauschalen jährlichen Spesenersatz von höchstens 28.000 Euro. Dieses Geld gab er überwiegend für Reisen, Nächtigungen und Bewirtungen aus. Aus der Sicht des LRH habe Kuhn seine Spesen aber „nicht nachvollziehbar dokumentiert“.
Dass Kuhn sich dreimal (2015 bis 2017) die Heizölrechnung für sein Privathaus bezahlen ließ, ist schon durchgesickert, als der Prüfbericht noch im Entstehen war. Laut LRH berappten die Festspiele rund 10.000 Euro für Kuhns Öl. Einer Rückforderung räumt Krismer keine Chance ein. „Das könnten nur die Festspiele tun.“
Insgesamt sieht der LRH die Entwicklung in Erl positiv. Der 2018 bestellten kaufmännischen Direktorin Natascha Müllauer attestiert Krismer gute Arbeit. Sie hat das Vieraugenprinzip eingeführt: Künstlerische und kaufmännische Leitung müssen Zahlungen gemeinsam freigeben.
Der Festivalsommer in Erl ist zu Ende, die Resonanz positiv. Am 1. September übernimmt der Frankfurter Operndirektor Bernd Loebe zusätzlich auch die Leitung in Erl. Sehr bald wird es neben der Kunst wieder ums Geld gehen. Denn die Subvention des Landes für 2020 ist offen.
Landesrätin Palfrader hat schon erklärt, dass es mit 1,15 Millionen Euro nicht getan sein werde. Einer der Gründe: Anders als Kuhn erhält Loebe natürlich schon ein Gehalt aus dem Festspielbudget – unabhängig davon, ob es einen Jahresüberschuss gibt.