„Burkaverbot“ in den Niederlanden tritt in Kraft
In den Niederlanden tritt ab Donnerstag ein „teilweises Verbot gesichtsbedeckender Kleidung“ (vulgo „Burkaverbot“) in Kraft. In öffentlichen Gebäuden wie Ämtern, Gerichten, Schulen, Krankenhäusern oder Bussen und Bahnen muss jeder sein Gesicht zeigen. Das Verbot gilt auch für Integralhelme oder Sturmhauben. In Österreich und anderen europäischen Ländern gelten bereits vergleichbare Gesetze.
Vor rund 14 Jahren begann in den Niederlanden der Streit um die Burka. 2005 hatte der Rechtspopulist Geert Wilders seinen ersten Erfolg im Parlament, als überraschend eine Mehrheit der Abgeordneten seinem Antrag für ein totales Burkaverbot zustimmte. Doch es vergingen Jahre, bis die Regierung tatsächlich einen Gesetzesentwurf vorlegte.
Der Staatsrat hatte noch 2015 in einem Rechtsgutachten dringend davon abgeraten. Das höchste Beratungsorgan der Regierung sah „keine dringende Notwendigkeit, die eine Einschränkung der Religionsfreiheit rechtfertigen könnte“. Im vergangenen Jahr nahm das Gesetz dann aber doch die letzte parlamentarische Hürde.
In den Niederlanden war die Religionsfreiheit lange für viele Parteien das Hauptargument gegen ein Vollverschleierungsverbot. Auf der anderen Seite wollten sie aber auch ein Zeichen setzen für die offene Gesellschaft und gegen die Unterdrückung der Frau.
Schließlich fand die Mitte-Rechts-Koalition einen typisch niederländischen Kompromiss. Kein Total-Verbot, wie es der Rechtsaußen Wilders wollte, sondern nur ein Verbot in öffentlichen Gebäuden. Also dort, wo der Staat mit den Bürgern kommuniziert. Mit Religionsfreiheit habe das nichts zu tun, sagte Ministerpräsident Mark Rutte: „In diesem Land kommunizieren wir offen miteinander, wir schauen uns direkt ins Gesicht.“
Die meisten Niederländer sind Umfragen zufolge zwar für ein Verbot. Doch viele bezweifeln auch, dass es etwas bringt und sehen es als reine Symbolpolitik. Im gesamten Land mit gut 17 Millionen Einwohnern gibt es nämlich nur schätzungsweise 150 Frauen, die regelmäßig eine Burka oder einen Niqab tragen. Zusätzlich soll es noch rund 250 geben, die ab und zu ihr Gesicht bedecken. Wenn sie nun in den Bus steigen oder ein Krankenhaus besuchen, werden sie aufgefordert, Schleier oder Burka abzunehmen. Bei Weigerung droht eine Geldstrafe von mindestens 150 Euro. Theoretisch. Denn schon jetzt haben viele Instanzen angekündigt, nicht durchzugreifen.
„Das Verbot hat in Amsterdam keine Priorität“, sagte etwa die Bürgermeisterin der Hauptstadt, Femke Halsema. Die ohnehin geringe Kapazität der Polizei solle eher zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens eingesetzt werden, sagte die Grünen-Politikerin. Die Regierung in Den Haag schäumte vor Wut. „Gesetze gelten auch für Amsterdam“, erklärte das Innenministerium. Doch die Hauptstadt ist keine Ausnahme. Auch andere Großstädte murren und wollen nichts tun.
Sogar die Polizei ist unwillig und teilt mit: Verschleierte Frauen könnten auch telefonisch oder online Anzeige erstatten. Denn auf die Wache dürfen sie ab Donnerstag nicht mehr mit Niqab. Krankenhäuser kündigten an, dass sie jedem helfen würden - wie gehabt. Auch die niederländische Bahn und öffentliche Nahverkehrsbetriebe wollen verschleierte Passagiere dulden. „Wir stoppen keine Straßenbahn oder Metro wegen einer Burka“, sagte Pedro Peeters, der Vorsitzende der Nahverkehrsbetriebe dem „NRC Handelsblad“. Und sollten Ordnungshüter doch durchgreifen, kündigte die lokale muslimische Partei NIDA in Den Haag bereits an, die Strafe zu bezahlen.
Längst gibt es in anderen europäischen Ländern vergleichbare Verbote. In Österreich trat das „Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz“ am 1. Oktober 2017 in Kraft. Im vergangenen Jahr kam es bundesweit zu insgesamt 96 Anzeigen. Nicht erhoben wurde allerdings, welche Form der Gesichtsverhüllung abgestraft wird - ob es sich also um Gesichtsschleier oder etwa um vermummte Fußballfans handelt.
Frankreich führte 2011 als erstes europäisches Land ein Vollverschleierungsverbot ein, Belgien folgte. Auch in Dänemark sind die islamischen Burkas und Niqabs untersagt.