USA

Donald Trump, der Präsident der Weißen

US-Präsident Donald Trump.
© AFP

Viel offener als seine republikanischen Vorgänger instrumentalisiert Donald Trump die Verlustängste vieler weißer Amerikaner. Er führt ein Land, in dem die Zahl der Hassverbrechen zunimmt.

Von Floo Weißmann

Washington – Das Blutbad von El Paso hat den Streit über Rassismus in der US-Politik dramatisch zugespitzt. Ein weißer Texaner soll am Wochenende in einem Einkaufszentrum gezielt Mexikaner ins Visier genommen haben. Am Ende waren 20 Menschen tot. Die Demokraten beschuldigen Präsident Donald Trump, den Weg für Hassverbrechen zu ebnen. Der Abgeordnete Adam Schiff twitterte: Wenn der Präsident auf rassistische Weise über Einwanderer und Muslime spricht, „dann hören wütende und einsame Männer mit Waffen zu. Und sie schreiten zur Tat.“

Die Zahl der Hassverbrechen in den USA hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. In jenen Bezirken, in denen Trump 2016 im Wahlkampf aufgetreten ist, war die Zunahme um 226 Prozent höher als im Rest des Landes, recherchierte die Washington Post. Damit ist ein statistischer Zusammenhang belegt, wenn auch nicht zwangsläufig ein kausaler.

Der Schock von El Paso traf Amerika zu einer Zeit, da ohnehin gerade über rassistische Aussagen des Präsidenten gestritten wurde. Trump hatte vier nicht weißen, weiblichen Abgeordneten der Demokraten ausgerichtet, sie sollten in die Länder zurückgehen, aus denen sie (vermeintlich) gekommen seien. Wenige Tage später attackierte er den schwarzen Ausschussvorsitzenden Elijah Cummings. Dessen (mehrheitlich schwarzer) Wahlbezirk sei „ein widerliches, von Ratten befallenes Chaos“.

„Das sind keine Menschen, das sind Tiere, und wir bringen sie außer Landes (...) in einem Maß wie nie zuvor.“
US-Präsident Donald Trump

Trump geht davon aus, dass ihm Rassismus mehr bringt

Er sei die am wenigsten rassistische Person auf der Welt, versicherte der Präsident. Doch Freund und Feind dürften die Botschaft verstanden haben. Trump „macht sehr deutlich, dass er Nicht-Weiße nicht als Teil der amerikanischen Gesellschaft betrachtet“, sagt­e der US-Politologe David Row­e, Direktor des Center for the Study of American Democrac­y in Ohio, der TT.

Das Muster zieht sich durch Trumps Biografie. Schon sein erster Auftritt in den Schlagzeilen 1973 hatte mit dem Vorwurf zu tun, das Immobilien-Unternehmen der Familie vermiete nicht an Schwarze. Nun macht Trump mit der Ausgrenzung von Nicht-Weißen Politik. Beispiele: Er verunglimpfte Mexikaner als Vergewaltiger, afrikanische Länder als „Dreckslöcher“ und versuchte (vergeblich), einen Einwanderungsstopp für Muslime durchzusetzen.

„Trumps Rassismus ist sowohl ein Ausdruck seiner persönlichen Überzeugungen, als auch eine bewusste politische Strategie“, glaubt Rowe. Das dürfte zu Trumps Wahlsieg 2016 beigetragen haben – und soll ihm offenbar auch die Wiederwahl 2020 sichern. Trump gehe davon aus, dass ihm Rassismus mehr bringt, als er ihn kostet, sagte der Innsbrucker Politologe und Rechtsextremismusexperte Reinhold Gärtner der TT.

Rassismus meint nicht allein die Diskriminierung von Menschen aufgrund von biologischen Merkmalen. Wer als Angehöriger einer fremden Gruppe angesehen und ausgegrenzt wird, ist oft ein soziales Konstrukt. In der Geschichte der USA gab es Phasen, in denen Einwanderer aus Deutschland oder Italien nicht als „Weiße“ durchgingen. Es geht um Feindbilder und Sündenböcke, die politisch instrumentalisiert werden, sagt Gärtner. Heute wettert Trump nicht allein gegen Schwarze, sondern auch gegen Einwanderer und gegen Muslime.

Ganz neu ist das nicht. Seit sich die Führung der Demokraten in den Sechzigerjahren auf die Seite der Bürgerrechtsbewegung geschlagen hat, versuchen Republikaner, die Ressentiments von Weißen gegen Schwarze anzusprechen. Als Beispiel dafür gilt der Auftritt von Ronald Reagan 1980 in Philadelphia, Mississippi, wo Jahre zuvor drei Bürgerrechtler umgebracht worden waren.

In seiner Rede betont­e Reaga­n die „Rechte der Bundesstaaten“. Mit diesem Schlagwort hatten sich die Südstaaten gegen ein von Washington verordnetes Ende der Rassentrennung gewehrt. Der Republikaner stellte sich damit gegen mehr Bürgerrechte für Schwarze, ohne das offen sagen zu müssen. Experten nennen diese Methode „dog whistle“ (Hundepfeife). Die Adressaten der Pfiffe „wissen ganz genau, wie sie das zu verstehen haben“, sagt Gärtner.

„Statt der Hundepfeif­e benützt er ein Megaphon“

Für Trumps Vorgänger war dies aber nur ein Nebenschauplatz. Zum Markenkern der Republikaner zählten konservative Werte, eine neoliberale Wirtschaftspolitik und eine starke Verteidigung. Offener Rassismus blieb tabu. Trump hat laut Rowe eine „radikale Abkehr“ von diesem Tabu eingeleitet. „Statt der Hundepfeif­e benützt er ein Megaphon“, analysierte CNN, und er stellt­e die Verlustängste der Weißen mit ins Zentrum seines Wahlkampfs. Wie sehr sich das für ihn ausgezahlt hat, wurde erst mit der Zeit klar.

Im Umfeld seines Wahlsiegs war zunächst von wirtschaftlichen Umwälzungen im Mittelwesten und von verarmten weißen Arbeitern die Rede. Inzwischen sagen Studien: Personen und Regionen, die einen Abschwung erlebt haben oder wirtschaftlich unter dem Schnitt liegen, haben nicht mehrheitlich für Trump gestimmt. The Intercept nannt­e die These von wirtschaftlichen Ängsten das „Zombie-Argument“, das aufgrund der Daten tot sein sollte, aber immer wieder auftaucht.

Die Daten deuten stattdessen auf kulturelle Ängste. „Diejenigen, die das Gefühl hatten, dass die Hierarchie umgestülpt wird, haben am wahrscheinlichsten für Trump gestimmt“, bilanzierte The Intercept eine von mehreren Studien zum Thema. Gemeint ist das Gefühl, dass Weiße schlechter behandelt werden als Schwarze, Christen schlechter als Muslime und Männer schlechter als Frauen. Trumps Wahlkampf-Slogan „Make America Great Again“ versprach den Verunsicherten die Wiederherstellung der alten Ordnung.

55 Prozent der weißen Amerikaner glauben, dass Weiße diskriminiert werden; unter Republikanern liegt der Anteil bei 75 Prozent. NPR illustrierte dieses Empfinden mit dem Zitat eines 68-Jährigen aus Ohio: „Wenn du irgendeine Hilfe von der Regierung willst, und du bist weiß, dann kriegst du sie nicht. Bist du schwarz, dann kriegst du sie.“ Schauplätze des Verteilungskampfs, in dem Weiße keine Vorrechte mehr genießen, sind Sozialleistungen, der Wohnungs- und der Jobmarkt und die Zulassung zu Universitäten.

Der Bevölkerungstanteil der Nicht-Weißen steigt

Demografische Veränderungen verschärfen den Konflikt. Der Bevölkerungsanteil der Nicht-Weißen steigt, und der erste schwarze Präsident Barack Obam­a sei zum Symbol dafür geworden, wie die Zukunft aussieht, sagte der US-Politologe Fredrick Harris, Dekan der Sozialwissenschaften an der Columbia University, der TT. „Es gibt viele Leute, die sich sehr unwohl fühlen beim Gedanken, dass ihre Gruppe Privilegien verliert. Vielleicht glauben sie, dass ihre Familie­n, ihre Kinder in diesem Land keine Zukunft haben.“

Dazu kommt, dass viel­e Durchschnittsamerikaner sich von der Politik nicht mehr wahrgenommen fühlen, wie Rowe beobachtet. Das trifft auch die Demokraten, die nach dem Niedergang der Gewerkschaften nur noch die Interessen von urbanen Eliten und Minderheiten angesproche­n hätten. Trump habe diese Schwäche der Demokraten genützt und den Leuten eine einfache Erklärung dafür gegeben, warum sie es schwer haben: „Weil sie weiß sind.“

Die rassistischen Angriffe auf nicht weiße Abgeordnete lassen vermuten, dass Trump seine erfolgreiche Strategie von 2016 wiederholen will. Sie ist laut Rowe auch deshalb effektiv, weil Trump damit zugleich die Demokraten und die wahlentscheidenden Wechselwähler im Mittelwesten voneinander entfremdet.

„Je stärker die Demokraten ihre nicht weißen Mitglieder verteidigen müssen, desto mehr scheint sich die Partei nur um Minderheiten zu kümmern, und desto mehr werden Weiße in Richtung der Republikanischen Partei gedrängt“, sagt Rowe. Nicht weiß­e Abgeordnete vom linken Flügel werden so zum Gesicht der Demokraten, obwohl die Partei zuletzt vor allem in eher konservativen Wahlbezirken dazugewonnen hat.

Das verschärft laut Rowe auch den Vorwahlkampf der Demokraten. Die Progressiven greifen die Moderaten an, die die Wahl in der Mitte gewinnen wollen. Sie werfen ihnen vor, nicht entschlossen genug gegen Rassismus aufzutreten und „argumentieren, dass es keinen Sinn macht, auf Trump-Wähler zuzugehen, weil diese schlicht Rassisten seien“. Das spielt dem Präsidenten in die Hände. Dieser habe zwar nicht wirklich mehr für seine Wähler getan, als ihr „Weiß-Sein“ zu verteidigen, sagt Rowe. Aber die Kontroverse über Rassismus lenkt von diesem Versäumnis ab und stellt sicher, das sich die Demokraten gegenüber seinen Wählern „gleichgültig bis offen feindlich“ verhalten.

Umgekehrt verändert Trump auch das Gesicht der eigenen Partei. Die Republikaner sind unter seiner Führung noch stärker zu einer Klientelpartei von Weißen mutiert, die sich gegen die gesellschaftlichen Veränderungen in den USA auflehnen.

Umfrage: 86 Prozent der Demokraten nannten Trump einen Rassisten

Wie sehr der Präsident die Lager polarisiert, belegte eine Umfrage vorige Woche: 86 Prozent der Demokraten nannten Trump einen Rassisten. Und 91 Prozent der Republikaner erklärten, er sei kein Rassist. Auch das mag erklären, warum die Republikanischen Partei inzwischen kaum noch Widerstand leistet. Wer aufmuckt, muss damit rechnen, dass die Trumpisten ihn als Verräter an den Weißen brandmarken und in der nächsten Vorwahl stürzen.

Nach El Paso schien der Präsident zunächst zurückzurudern. „Hass hat keinen Platz in unserem Land“, erklärte er. Doch schon am Montag zeigte er via Twitter wieder auf andere. Medien hätten mit falschen Berichten über ihn zur Wut beigetragen, deutete er an. Und warnte: „Die Berichterstattung muss anfangen, fair zu sein, sonst werden diese furchbaren Problem nur noch schlimmer werden!“

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