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Was man tun kann, wenn Nachbars Garten zum Problem wird

Zartes Pflänzchen, später ein ausgewachsenes Problem: Experten raten, vorausschauend zu pflanzen.
© Getty Images/iStockphoto

Wenn in Nachbars Garten das zarte Pflänzchen zum großen Problem heranwächst: Schlichtungsstelle der Landwirtschaftskammer für Einpflanz-Regelung bei neuen Wohnanlagen.

Von Michaela S. Paulmichl

Innsbruck –Drückende Hitze in der Stadt, da hilft nur noch die Flucht unter den nächsten Baum: Er spendet nicht nur Schatten, bei entsprechender Größe ist es darunter auch bis zu sechs Grad kühler, sagt Baumsachverständiger Manfred Putz von der Landwirtschaftskammer Tirol. „Das kann ich mit keinem Sonnenschirm erreichen.“ Laut Experten nimmt die Bedeutung der Bäume in Ballungsräumen in Zeiten des Klimawandels zu, dabei sind viele Arten von den geänderten Klimaverhältnissen bedroht. Das liegt nicht nur an den extremen Temperaturen und der Trockenheit, sondern auch an den „außergewöhnlichen Wetterereignissen“ wie Stürmen. Putz: „Sie nehmen eindeutig zu.“ Der Geschäftsführer von „Grünes Tirol“ ist Baum- und seit vielen Jahren auch Gerichtssachverständiger.

Gemeinsam mit der Juristin Petra Fischbach-Böckle bildet er das in Österreich einzigartige Team der Schlichtungsstelle in der Landwirtschaftskammer Tirol, das bei Streitigkeiten zwischen Nachbarn vermittelnd auftritt, wenn die Hecke an der Grundstücksgrenze seit Jahren ungehindert wuchert oder die hohen Bäume so viel Schatten werfen, dass der Garten nebenan vermoost. Seit 15 Jahren besteht ein einklagbares Recht auf Licht. Oberste Priorität hat aber die Sicherheit: Beeinträchtigte Nachbarn müssen beim Zurückstutzen darauf achten, dass der beschnittene Baum nicht so weit beeinträchtigt ist, dass er zur Gefahr werden könnte.

Auch der enger werdende Wohnraum beschäftigt die Experten in Sachen Nachbarschaftsrecht. Putz: „Es kann nicht sein, dass Grundstücke immer kleiner werden und Bäume immer größer. Um Probleme zu vermeiden, muss die Bepflanzung den Grundstücksverhältnissen angepasst werden. Eine Linde passt nicht in eine kleine Wohnanlage.“

Petra Fischbach-Böckle spricht sich für eine gesetzliche Reglementierung aus, in den Verträgen für Mehrparteienhäuser soll schon vorausschauend festgelegt werden, was eingepflanzt werden darf und bei welchen Pflanzen spätere Probleme vorprogrammiert sind. Bei einigen neuen Anlagen wird das Thema bereits berücksichtigt. „Am Anfang denkt niemand daran, dass der noch kleine Baum in ein paar Jahren mehrere Meter hoch und damit Ursache für einen Streit sein kann. Da muss man vorausschauen.“

Viele Literaten haben ihre Liebe zu Bäumen zu Papier gebracht, der Baum gilt als Sinnbild des Lebens, doch für manche hat er auch etwas Bedrohliches, sagt die Juristin und denkt dabei an schwankende Fichten bei einem Föhnsturm. Sie sind Flachwurzler und können ab einer gewissen Höhe auch umfallen, wenn sie gesund sind. Putz: „Ab 64 km/h steigt die Versicherung aus, da braucht der Geschädigte schon eine Sturmversicherung!“

In einem Fall konnte die Schlichtungsstelle zwischen einer Frau und ihrem Nachbarn vermitteln, den rund 20 Meter hohen Baum an der Grundstücksgrenze empfand sie als bedrückende „grüne Wand“. Gemeinsam konnte man sich einigen, zumindest den Überhang zurückzuschneiden. Der Eigentümer hat dafür selbst eine Fachfirma beauftragt und bezahlt, für gewöhnlich bleiben dem beeinträchtigten Nachbarn die Kosten. Anders als zum Beispiel in Deutschland muss er dafür aufkommen bzw. selbst zur Heckenschere greifen. Die Pflanze darf dabei aber nicht beschädigt werden, sonst muss er Schadenersatz leisten.

Ein für die Experten richtungsweisendes Urteil des OGH liegt für einen Fall vor, bei dem der Nachbar die 1,30 Meter breite, 1,80 Meter hohe und 45 Meter lange Thujenhecke an seiner Grundstücksgrenze mit einer Kettensäge radikal beschnitt. Der Eigentümer sprach danach von einem Totalschaden und klagte auf 4700 Euro. „Obwohl es aus gärtnerischer Sicht geboten gewesen wäre, die Hecke in kleinen Schritten laufend über mehrere Jahre zurückzuschneiden“, so der OGH, wurde die Klage abgewiesen. Die Juristin sieht darin ein Signal in Richtung „Her mit der Motorsäge“, solange man dadurch, wie bei Bäumen, keine Gefahrenquelle schaffe.

Ein weiteres für die Experten bemerkenswertes OGH-Urteil betrifft 70 im Jahr 1991 an einer Grundstücksgrenze gepflanzte Fichten. Die Bäume sind heute bis zu 15 Meter hoch. Obwohl das Reihenhaus daneben erst später gebaut wurde, müssen die Bäume bis auf 2,50 Meter zurückgestutzt werden. Die Bepflanzung sei für die Wohngegend ortsunüblich, der Schattenwurf führe zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung durch Entzug von Licht. Putz: „In diesem Fall muss ich davon ausgehen, dass die Bäume absterben, jeder Stümmelschnitt ist der erste Schritt zur Fällung.“

Wissenswertes

Das gilt als Beeinträchtigung: Unzumutbarkeit: Wenn durch die Bepflanzung des Nachbarn an einem Sommertag zu Mittag künstliche Beleuchtung nötig ist, die Pflanze beinahe das gesamte Grundstück beschattet, Wiesen zu versumpfen drohen, eine bestehende Solaranlage in ihrer Funktion erheblich gestört wird, vor allem aber dann, wenn von einem Baum eine Gefahr ausgeht. Auch Ortsunüblichkeit – zum Beispiel ein kleiner Wald in einer Wohngegend – muss nicht hingenommen werden.

Das Verfahren: Wer sich beeinträchtigt fühlt, kann sich erst dann an die Gerichte wenden, wenn ein Schlichtungsverfahren gescheitert ist. Für ein Schlichtungsverfahren muss bei der Landwirtschaftskammer Tirol, Fachbereich Recht, Wirtschaft und Forst, in der Brixner Straße 1 in Innsbruck ein schriftlicher Antrag gestellt werden, Tel. 05 92 92-1200, rechtsabteilung@lk-tirol,at. Formulare gibt es in der Landwirtschaftskammer und online unter tirol.lko.at.

Vermittler: Die Mitarbeiter der Schlichtungsstelle treten als neutrale Personen auf, die vermitteln, um einen Kompromiss zu erreichen. Die Teilnahme ist freiwillig, die Kosten übernimmt der Antragsteller.

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