Mit großen Sprüngen durchs Leben: Heinz Lutz, ein wilder Hund
Salti mit gebrochenen Rippen, auf Ski durch die Bobbahn: Als Pionier der Skiakrobatik in Tirol war der Haller Heinz Lutz ein wilder Hund. Sein Sportgeschäft in der Altstadt schließt er im Dezember nach 35 Jahren.
Von Michael Domanig
Hall –In Hall ist Heinz Lutz so etwas wie eine Legende – fast jeder kennt ihn als jahrzehntelangen Betreiber eines kleinen, aber feinen Sportfachgeschäfts in der Schlossergasse. Was viele wohl nicht wissen: Der heute 71-Jährige war seinerzeit, ab 1969/70, auch ein waghalsiger Pionier der Ski-akrobatik in Tirol.
„Der Tiroler Turner Ernst Schmid war der Erste, der einen zweifachen, später dreifachen Salto auf über zwei Meter langen Ski schaffte“, erinnert sich Lutz an die Anfänge. „Ich habe die Filmaufnahmen gesehen – und sofort Feuer gefangen.“
Obwohl Schmid kurz darauf tödlich verunglückte, blieb Lutz dem Ziel, ein Skiakrobat zu werden, treu: In Seefeld sah er eine Skishow – und wich der multinationalen Truppe nicht mehr von der Seite. Da habe er viel gelernt, erzählt Lutz, ebenso bei der „Camel World Hot Dog Trophy“, einer Art Weltcup. Das Trickskifahren hieß damals kurioserweise „Hotdogging“, der Begriff „Freestyle-Skifahren“ etablierte sich erst später.
Und ein wilder Hund war Lutz tatsächlich: Er scharte Gleichgesinnte um sich, gründete eine eigene Showgruppe und den „Acro Ski Club Tirol“, trat über Jahre hinweg in Tourismusorten in Österreich und dem benachbarten Ausland auf.
An spektakulären Aktionen mangelte es nicht – vom zirkusreifen Paar-Sprung durch einen brennenden Feuerreifen bis zum Rückwärtssalto mit 81 (!) Mann, Hand in Hand auf Ski – was sogar Eingang ins Guinness-Buch der Rekorde fand.
1972 oder ’73 sei er in der Axamer Lizum sogar einmal mit an der Brust geöffnetem Skianzug aufgetreten, erinnert sich Lutz und betrachtet das Foto lächelnd – nicht etwa, weil es so lässig aussah, sondern weil er trotz dreier gebrochener Rippen starten wollte. Später brauste er, inspiriert vom James-Bond-Film „In tödlicher Mission“, auch mal mit einem Freund auf Tandem-Ski durch den Igler Eiskanal. Hinzu kamen Auftritte in Werbefilmen – etwa für die Firma von Jean-Claude Killy –, Sicherheitsfilmen für Skibindungen oder Aufnahmen über Sportverletzungen, für die es am Glungezer absichtlich Stürze zu produzieren galt.
1984, also vor 35 Jahren, wagte Lutz dann den nächsten großen Sprung – nämlich jenen in die Selbstständigkeit. Er eröffnete sein Sportgeschäft und baute über die Jahrzehnte einen großen Stammkundenkreis auf. Speziell für das Skiservice seien die Leute sogar bis von Südtirol angereist, sagt Lutz.
Damit ist Schluss, Lutz steht vor der wohlverdienten Pension: Das Skiservice hat er bereits mit 31. Mai eingestellt – nach besonders arbeitsintensiven Wochen, weil viele schnell noch ein letztes Mal ihre Ski vorbeibrachten. Sein Geschäft will Lutz voraussichtlich noch bis Ende des Jahres für den Totalabverkauf offen halten. Einen Nachfolger am Standort habe er nicht gefunden, dafür aber einen jungen Unternehmer in Oberperfuss, der seinen gesamten Maschinenpark übernommen habe „und der ab Herbst in meiner Service-Richtung weiterarbeitet“, freut sich Lutz.
Vor 35 Jahren habe es in Hall noch eine Reihe von Sportgeschäften gegeben, erzählt Lutz, heute sei er – abgesehen von Rad- und anderen Spezialgeschäften – als Einziger übrig. Mit dem Geschäft alleine könne man nicht überleben, betont er, „gutes Service ist das Um und Auf. Die Leute kaufen aus Bequemlichkeit online – aber für Service, Montage und Einstellung kommen sie dann doch wieder ins Fachgeschäft, dieser Bereich ist sogar stetig gewachsen.“
Lutz findet auch kritische Worte: „Politik und Kammer denken zu wenig über Kleinbetriebe nach. Aber wenn kleine Geschäfte schließen, kommen auch weniger Leute in Cafés und Gasthäuser, dann droht eine tote Stadt.“ Wobei in Hall das Stadtmarketing zum Glück sehr aktiv sei, merkt er an.
Dass Heinz Lutz in der Pension langweilig wird, ist nicht zu befürchten: Er bleibt Obmann des Haller Lauftreffs, der u. a. für die Durchführung des alljährlichen Halbmarathons Hall – Wattens, der größten Laufveranstaltung der Region, verantwortlich zeichnet. Zudem möchte er sich wieder mehr dem aktiven Sport widmen, was das Geschäft kaum zugelassen habe. „Das will ich nachholen, solange ich gesund bin und die Gelenke intakt sind.“ Skifahren sei weiterhin seine Leidenschaft, er wolle aber auch mehr Touren gehen und Rad fahren. Wobei: „Auf ein E-Bike werde ich nicht so schnell umsatteln“, meint er und lacht.