Künstliche Intelligenz: Gespalten zwischen Faszination und Angst
Künstliche Intelligenz wird als potenzielles Hilfsmittel gesehen, um die größten Probleme der heutigen Zeit zu lösen. China und Amerika sind Vorreiter in der Entwicklung. Österreich will nun nachziehen.
Wien, Alpbach — Ob im Börsenhandel, am „Digitalen Amt", beim Online-Einkauf oder bei Spracherkennungssystemen am Smartphone - Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde. Auch die Technologiegespräche in Alpbach dominiert die umstrittene Thematik. Seitens der Politik setzt man vor allem auf Expertengremien. Konkrete Anwendungen gibt es bereits in großer Zahl, wenn man etwa an Übersetzungs- und Bilderkennungssoftware, oder Chat-Bots, denkt. Dem Nutzer ist nicht immer bewusst, dass er es mit KI zu tun hat und durch sein Verhalten auch wichtige Daten zur selbstständigen Weiterentwicklung ebendieser liefert.
Amerika und China
Vorangetrieben werden die stark datengetriebenen Ansätze, die auf Systemen mit der Fähigkeit zum maschinellen Lernen fußen, vor allem von Internet- oder Logistik-Großkonzernen aus den USA oder China wie Amazon, dem Google-Mutterkonzern Alphabet, Facebook oder Alibaba. Die Gesetzgeber finden sich vielfach in der Zwickmühle: Einerseits gilt es, dem wichtigen Innovationsfeld nicht die Dynamik zu nehmen, andererseits braucht es Regulierung - etwa für den Umgang mit personenbezogenen Daten. Zudem gilt es für Europa den Anschluss an das Silicon Valley oder Asien auf dem Gebiet nicht zu verlieren.
Europa will einen „ethischeren" Weg bestreiten
Um sich in dem neuen Feld zurechtzufinden, richteten zahlreiche Regierungen und EU-Institutionen beratende Gremien ein. In Österreich ist das seit 2017 der Rat für Robotik und Künstliche Intelligenz (ACRAI), die EU-Kommission setzt etwa auf eine High-Level-Expertengruppe, die im April ihre „Ethischen Leitlinien für vertrauenswürdige KI" präsentiert hat. Diese beinhalten die Gestaltung und Kontrolle solcher Systeme unter menschlicher Aufsicht, das Achten auf Robustheit und Sicherheit, die Erfüllung von Datenschutz-Prinzipien, die Nachvollziehbarkeit der Arbeit der Systeme, die Nicht-Diskriminierung benachteiligter Gruppen durch die Entwicklungen, die Berücksichtigung gesellschaftlicher und ökologischer Konsequenzen von Technologien und eine Rechenschaftspflicht.
Der Grundgedanke dahinter ist, dass Europa im Gegensatz zu den USA mit seinen laxen rechtlichen Vorgaben, und China, das KI auch massiv zur staatlichen Überwachung einsetzt und weiterentwickelt, einen eigenen, „ethischeren" Weg beschreitet.
„Potenzial zur Lösung der großen Probleme unserer Zeit"
Gemeinsam ist all den Empfehlungen und Strategien, dass einerseits ganz klar die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Chancen, und andererseits die ethischen und sozialen Gefahren hergehoben werden. „Diese neuen Technologien haben das Potenzial, zur Lösung der großen Herausforderungen unserer Zeit beizutragen, wobei ihre Anwendungsgebiete vielseitig sind: Gefährliche, monotone, ungesunde oder anstrengende Tätigkeiten können beispielsweise von Robotersystemen übernommen werden", heißt es etwa seitens des ACRAI. Gleichzeitig wird das Potenzial betont, „langfristig Arbeitsplätze zu schaffen bzw. zu erhalten". „Es erscheint aber offen, ob Zahl und Qualität der neuen Jobs denen der fortfallenden gleichkommt", schrieb das deutsche Science Media Center (SMC) 2018.
Risiken und Bedenken
Den Potenzialen der KI stehen aber auch Risiken gegenüber, etwa „dass verzerrte Wahrnehmungen, sogenannte Biases, aus der analogen in die digitale Welt übertragen werden", wie die OECD schreibt. Manche KI Systeme seien auch derart komplex, „dass ihre Entscheidungen unter Umständen nicht erklärt werden können". Das ist beispielsweise vor allem dann problematisch, wenn es um die Einschätzung von Kreditwürdigkeit durch KI, automatisierte Entscheidungen in Bewerbungsprozessen oder die Nutzung von intransparenten Systemen durch Polizei oder Geheimdienste geht, so das SMC, das auch die prinzipielle Problematik ins Treffen führt, dass sich viel KI-Know-how zur Zeit exklusiv in den Händen weniger großer Unternehmen befindet.
KI in Österreich
Um die Kompetenz Österreichs im Bereich Künstlicher Intelligenz (KI) zu stärken, schlägt die Universitätenkonferenz (uniko) in einem Positionspapier die Einrichtung eines KI-Instituts im Rahmen des europäischen KI-Netzwerks ELLIS sowie die Schaffung von Rechen-Infrastruktur vor. Für ersteres wären jährlich rund 30 Mio. Euro erforderlich, für letztere Anschaffungskosten in Höhe von 40 Mio. Euro.
In dem Positionspapier begrüßen die Universitäten die Initiative zur Erstellung einer österreichischen KI-Strategie. Diese sollte eigentlich bei den diesjährigen Alpbacher Technologiegesprächen präsentiert werden. Daraus wird aufgrund der innenpolitischen Situation aber nichts. Mit den von der uniko vorgeschlagenen Maßnahmen soll auch der Forschungsstandort Österreich in der internationalen KI-Community, speziell in den beiden europäischen KI-Netzwerken ELLIS und CLAIRE verankert werden.
Das Netzwerk ELLIS (European Laboratory for Learning and Intelligent Systems) plant laut dem Papier, die wichtigsten Standorte für die KI-Bereiche Deep Learning und Machine Learning zu vernetzen. Österreich habe „ausgezeichnete Chancen", neben der ETH Zürich, der Universitäten Tübingen und Cambridge einer der wenigen begehrten Standorte eines ELLIS-Instituts zu werden. Dies würde eine jährliche nationale Finanzierung in der Größenordnung von rund 30 Mio. Euro für zehn bis 15 Forschungsgruppen für die nächsten zehn Jahre erfordern.
Weil in Österreich sowohl die universitäre KI-Forschung als auch die Unternehmensstruktur kleinteilig gestaltet sei, sollte auch ein nationales KI-Netzwerk geschaffen werden, meint die uniko. Für ein solches Programm wären jährlich 15 Mio. Euro zur Finanzierung von rund 100 Doktoranden und Postdocs notwendig.
Schließlich wird in dem Papier die Schaffung von Rechenkapazität, insbesondere eines Graphikkarten-Clusters (GPU-Cluster), für notwendig erachtet, um im internationalen Wettbewerb der KI-Forschung mithalten zu können. Vorgeschlagen wird die Einrichtung eines GPU-Clusters mit rund 10.000 GPUs, der exklusiv der akademischen Forschung im Bereich des Deep Learnings zur Verfügung steht. Die Anschaffungskosten dafür werden mit rund 40 Mio. Euro beziffert.
Als „essenziell" wird in dem Papier zudem die Verfügbarkeit von Daten für die Forschung bezeichnet. Dazu sollten geeignete Datenpools bzw. Zugriffsmöglichkeiten mit entsprechenden Rechtsgrundlagen für deren Nutzung geschaffen werden. (APA/TT.com)
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