TT-Gespräch

Otto Schenk und Helmut Berger: „Wir waren süchtig nach Natürlichkeit“

Otto Schenk, 89, führte 1973 bei der Adaption von Arthur Schnitzlers „Reigen“ Regie. Helmut Berger wurde am Wochenende in Kitzbühel mit dem Ehrenpreis für sein Lebenswerk gewürdigt.
© Böhm

Vor beinahe 50 Jahren drehten Otto Schenk und Helmut Berger die Schnitzler-Verfilmung „Reigen“. Am Wochenende präsentierten sie den Film in Kitzbühel. Die TT traf die Schauspieler zum Gespräch.

Kitzbühel –Als Schauspieler ist Otto Schenk eine Legende – und manche seiner Operninszenierungen finden sich bis heute auf den Spielplänen. Schenks Oeuvre als Filmregisseur hingegen ist überschaubar. Ein Film freilich hat es in sich. 1973 drehte er „Reigen“, nach Arthur Schnitzlers gleichnamigem Stück. Kommerzieller Erfolg war der „Super-Produktion“ – Gesamtbudget 14 Millionen Schilling – nicht beschieden. Trotzdem hat Schenk den Dreh in bester Erinnerung. Auch weil sich zur namhaften Besetzung um Senta Berger, Erika Pluhar, Helmut Lohner und Michael Heltau ganz unverhofft ein „Götterknabe“ gesellte. „Reigen“ war der erste und lange Jahre einzige österreichische Film mit Helmut Berger. „Ein Lieblingsfilm“, sagt Berger selbst. Am Wochenende war er beim Filmfestival Kitzbühel, wo Berger mit dem Ehrenpreis ausgezeichnet wurde, zu sehen. Schenk und Berger haben den Film persönlich präsentiert.

Helmut Berger befand sich 1973 auf dem Höhepunkt seines Ruhms. Luchino Viscontis Meisterwerk „Ludwig“ war gerade abgedreht, „Die Verdammten“ bereits in Vorbereitung. Das Angebot aus Österreich habe ihn gereizt. Obwohl es eigentlich kein richtiges Angebot gab. „Solche Anpostelei gab es damals nicht. Ich bekam das Buch, habe den Text studiert – und bin nach Wien gefahren.“ Für Schenk ein Geschenk: „Wir waren süchtig nach Natürlichkeit, vielleicht, weil wir von unserem Umfeld damals mit vielem gefüttert wurden, aber nicht mit Natürlichkeit.“ Dieses Direkte, Ungekünstelte habe er filmen wollen, sagt Schenk. Bei Berger habe er danach gar nicht suchen müssen: „Jede Bewegung, jeder Satz, alles war ganz selbstverständlich: Wenn die Kamera lief, waren Helmut und seine Figur identisch.“ Oder, in Helmut Bergers Worten: „Es ist ganz einfach: Wenn ich mich sicher fühle, ist es leicht, die Hosen runterzulassen.“ Genau diese Sicherheit habe er während seiner Laufbahn immer wieder vermisst.

Bei Visconti, den Berger Anfang der 1960er-Jahre kennen und lieben lernte – und der den gebürtigen Bad Ischler zum Schauspieler formte –, habe er sich sicher gefühlt. Später bei Vittorio De Sica im Film „Die Gärten der Finzi Contini“ auch. „Man stand da und wusste: Das Drehbuch ist gut, der Regisseur ist gut, alles ist gut. Dann gibt es keinen Grund zu zweifeln.“ Beim „Reigen“ sei es ähnlich gewesen. Auch deshalb hätte er gern noch einmal mit Schenk gedreht. Aber Dreharbeiten seien letztlich immer auch Abschiede: „Man macht die letzte Szene. Umarmt sich, weint – und sieht sich nie wieder.“ Auch Otto Schenk habe er nach beinahe 50 Jahren wiedergetroffen. Im Mai dieses Jahres. „Ich habe mir gewünscht, dass er zu meinem 75. Geburtstag nach Bad Ischl kommt.“

Mit dem Ehrenpreis in Kitzbühel schließt sich für Berger ein Kreis. Hier stand er erstmals vor der Kamera. Mit Visconti drehte er 1967 eine Episode des Omnibusfilms „Le Streghe“. Berger, damals 23 Jahre alt, spielte einen Kammerdiener. Er habe sich den Part damals erschlichen, sagt er – und kann sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Ich habe es ausgenutzt, dass Visconti mich mochte.“

„Gott sei Dank hat Visconti sich ausnutzen lassen“, wirft Otto Schenk ein. Denn dadurch sei ein großer Schauspieler entdeckt worden. Nicht etwa, weil Berger damals als „schönster Mann der Welt“ galt, sondern „weil aus diesem nach wie vor schönen Gesicht eine Wehmut, eine vom Geheimnis genährte Sorge strahlt. Er hat jeden Satz gesagt, als ob da noch was anderes wäre. Helmut musste nichts ausdrücken. Wenn man etwas ausdrückt, ist es kaputt. Als er bei mir spielte, war er gar nicht mehr fähig, etwas auszudrücken, verraten hat sich das Geheimnis trotzdem. Es gibt nicht viele Schauspieler, die dazu fähig sind.“

Kitzbüheler Filmpreise

Am Samstagabend wurden die Preisträger des 7. Filmfestivals Kitzbühel gekürt. Als Bester Spielfilm wurde das Drama „Nevrland" von Gregor Schmidinger ausgezeichnet. Der Preis für den Besten Dokumentarfilm ging an Jan Prazaks „Another Life". Im Kurzfilmwettbewerb setzte sich Bogdan Muresanu mit seinem Film „The Christmas Gift" durch. Der Publikumspreis ging an Asger K. Bartles' „Dream State" — und Albin Wildners „Der Wächter" wurde der Nachwuchspreis zugesprochen.

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