China rüstet sich zum Volksrepublik-Jahrestag für Proteste
Vor dem 70. Gründungstag der Volksrepublik rüstet sich China in Hongkong mit einem beispiellosen Truppenaufgebot gegen Proteste. Wie die Nachrichtenagentur Reuters erfuhr, wurden vor den am Dienstag anstehenden Festlichkeiten Tausende zusätzliche Einsatzkräfte in die Sonderverwaltungszone verlegt und damit die militärische Präsenz offenbar mehr als verdoppelt.
In Kreisen asiatischer und westlicher Gesandter kursieren Schätzungen, wonach mittlerweile bis zu 12.000 Militärangehörige in Hongkong stationiert seien. In den Monaten zuvor seien es lediglich bis zu 5.000 gewesen. Es sei davon auszugehen, dass sich so viele aktive Mitglieder der Volksbefreiungsarmee und anderer Sicherheitskräfte in Hongkong befänden wie nie zuvor.
In den chinesischen Staatsmedien war der Einsatz im August als Routinemaßnahme in Form einer „Rotation“ angekündigt worden. Über Einzelheiten hüllte sich die Staatsmacht auch am Montag in Schweigen und sprach von „Verteidigungsfragen“. Ein Sprecher der Hongkonger Polizei sagte, die Sicherheitskräfte seien in der Lage, „Recht und Ordnung“ aufrecht zu erhalten. Sie seien zudem entschlossen, die öffentliche Sicherheit in Hongkong wiederherzustellen.
Mit Blick auf die seit Monaten andauernden prodemokratischen Proteste in Hongkong hat Chinas Staatschef Xi Jinping zugesagt, an dem Prinzip „Ein Land - zwei Systeme“ festzuhalten. Xi sagte am Montag in Peking, für Hongkong werde auch weiterhin ein „hohes Maß an Autonomie“ gelten. Zugleich hob Xi die Bedeutung einer „geeinten Mutternation“ hervor.
China werde das seit der Rückgabe Hongkongs geltende Prinzip „Ein Land - zwei Systeme“ auch weiterhin „vollständig und zuverlässig umsetzen“, sagte Xi am Vortag der groß angelegten Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik. Xi betonte, die „Chinesen in Hongkong und Macau“ liebten die „Mutternation“. Durch gemeinsame Anstrengung werde Hongkong an der Seite des Festlandes „wachsen und Fortschritte machen“. „Einigkeit ist Eisen und Stahl. Einigkeit ist die Quelle von Stärke“, fügte Xi hinzu.
Nicht nur in Hongkong, auch in Taiwan ist zuletzt die Sorge vor einem militärischen Eingreifen Pekings gestiegen. In seiner Ansprache unterstrich Xi den Willen Pekings, die Pazifikinsel eines Tages wieder mit dem Festland zu vereinen. „Die vollständige Wiedervereinigung der Mutternation ist ein unabwendbarer Trend. Nichts und niemand kann ihn stoppen“, sagte Xi.
Wegen der schweren Ausschreitungen bei den jüngsten Kundgebungen für mehr Demokratie ist die Lage in der Stadt angespannt. Rund um das Kongresszentrum im Zentrum, wo die Zeremonie zum 70. Jahrestag am Dienstag stattfinden soll, gingen Bereitschaftspolizisten in Stellung. Straßen wurden abgeriegelt. Trotz der Truppenkonzentration war davon auszugehen, dass erneut zahlreiche Gegner der Hongkonger Regierung und der kommunistischen Machthaber in Peking auf die Straßen gehen dürften.
Die Protestbewegung kündigte anlässlich des Jahrestags einen „Tag der Trauer“ an und rief die Hongkonger dazu auf, am Dienstag Schwarz zu tragen. Erst am Wochenende hatte es bei regierungskritischen Protesten in der chinesischen Sonderverwaltungszone erneut Zusammenstöße zwischen Demonstranten und der Polizei gegeben.
Die Hongkonger Polizei warnte die Demokratie-Aktivisten davor, sich über ein für Dienstag ausgerufenes Demonstrationsverbot hinwegzusetzen. Die Polizei erwarte eine „sehr, sehr gefährliche“ Situation, sagte Polizeivertreter John Tse vor Journalisten. Gewalttätigen „Randalierern“ in der Protestbewegung warf er vor, sich „immer weiter in die Richtung des Terrorismus“ zu begeben.
Menschenrechtsaktivisten teilten mit, zwei prominente Vertreter der Demokratiebewegung seien festgenommen worden, während die Genehmigung eines Demonstrationszugs vom Touristen- zum Regierungsviertel wegen Sicherheitsbedenken abgelehnt worden sei. Die Hongkonger Polizei bestätigte die Festnahmen zunächst nicht. Die Aktivisten Gregory Wong und Ventus Lau sollen wegen ihrer Verwicklung in Proteste in Gewahrsam genommen worden sein.
Der Zorn der Demonstranten entzündete sich an Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam, der eine zu große Nähe zur Regierung in Peking vorgeworfen wird. Inzwischen richten sich die Proteste aber auch gezielt gegen Peking. Viele Hongkonger befürchten, dass sie politische Sonderfreiheiten verlieren könnten. Die ehemalige britische Kronkolonie ist seit 1997 eine chinesische Sonderverwaltungszone. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte anlässlich des Gründungsjubiläums der Volksrepublik, Rechte auf Meinungs-, Versammlungs-, Religions- und Pressefreiheit würden seit Jahren in China zunehmend eingeschränkt.