Österreichs Strom soll in zehn Jahren grün sein
Alle drei Minuten müsste eine Photovoltaikanlage montiert und ein großes Wasserkraftwerk alle zwei Jahre gebaut werden.
Von Stefan Eckerieder
Wien –Während weltweit Menschen bei Klimademonstrationen die Senkung des CO2-Ausstoßes fordern, gibt es in Österreich bereits das konkrete Ziel, fossile Energiequellen in den nächsten zehn Jahren aus der Stromerzeugung zu verbannen. Jedoch orten die heimischen Energiekonzerne zahlreiche Hürden bei der Umsetzung. Das Ziel der vollständigen Umstellung der Stromproduktion bis 2030 sei „schon jetzt nicht mehr haltbar, das wissen wir“, sagte Leonhard Schitter, Präsident von „Oesterreichs Energie“, der Branchenvertretung der heimischen Energieunternehmen, bei einem Journalistenseminar. Dennoch müsse man die Umgestaltung der E-Wirtschaft „angehen, egal ob bis zum Jahr 2030 bilanziell 100, 95 oder nur 90 Prozent an erneuerbarer Abdeckung des Bedarfs möglich ist“.
Bedarf: Um das Ziel zu erreichen, muss die erneuerbare Stromproduktion von 50 Terawattstunden (TWh) auf ungefähr 80 TWh um mehr als ein Drittel steigen. Vor allem Photovoltaikanlagen müssten massiv ausgebaut werden. Laut dem Verband müsse die Solarenergieproduktion verzwölffacht werden bzw. alle drei, vier Minuten eine neue PV-Anlage montiert werden. Zugleich müsste die Windkraft von 5,5 TWh auf 11 bis 13 TWh mehr als verdoppelt werden und die Wasserkraft-Erzeugung um 15 Prozent steigen. Das würde den Bau von einem großen Wasserkraftwerk alle zwei Jahre bedeuten. Ein Drittel dieses Erzeugungsvolumens (10,6 TWh) haben die Mitglieder von „Oesterreichs Energie“ schon konkret in der Projektpipeline, der Rest soll von Privaten außerhalb des Verbandes kommen. Mit dem zusätzlich geplanten Erneuerbaren-Strom könnten 7,5 Mio. CO2 jährlich (fast ein Zehntel der jetzigen Emissionen) eingespart werden.
Speicher: „Der Strom der Zukunft wird zwar auch mit 230 Volt und 50 Hertz beim Kunden ankommen, die dahinterstehenden Systeme werden sich jedoch gravierend von der bisherigen Stromversorgung unterscheiden“, sagt die Verbands-Geschäftsführerin Barbara Schmidt. Das betrifft vor allem die stabile Stromversorgung, trotz schwankender Produktion im Tages- und Jahresverlauf. Während im Sommer vor allem die Photovoltaik während der Tagesstunden mehr Strom liefert als verbraucht wird, sorgen aktuell Wasserkraft und thermische Kraftwerke (Gas und Kohle) am Abend, wenn mehr Strom benötigt wird, für ein stabiles Angebot. Künftig müsse man es ermöglichen, dass die höhere Produktion des Sommers im Winter zur Verfügung steht, wenn wegen Nebel und Windstille kein Sonnen- und kein Windstrom erzeugt werden kann. Dafür müssten laut dem Verband Pumpspeicherkraftwerke neu errichtet und ausgebaut werden. Um künftig Strom über längere Zeit zu speichern, spiele etwa das Pumpspeicherkraftwerk Kühtai eine wichtige Rolle. Um die stark schwankenden Erneuerbaren auszugleichen, würden im Fall von Engpässen aber auch thermische Anlagen (Gaskraftwerke) weiter nötig sein, erklärte der Spartensprecher Netze von Oesterreichs Energie, Franz Strempfl.
Netze: Um den erneuerbaren Strom österreichweit zu verteilen, sollen bis 2030 2,9 Mrd. Euro in 230 km neue Leitungen sowie mehr als 500 km Leitungsverstärkungen und Dutzende neue Transformatoren und Umspannwerke gesteckt werden, erklärt Austrian-Power-Grid-Chef Gerhard Christiner. Das sei notwendig, um etwa Windstrom in die Verbrauchszentren oder Strom aus Speicherkraftwerken vom Westen in den Osten zu bringen und Tagesschwankungen ausgleichen zu können.
Klimapakt: Die E-Wirtschaft stehe parat, sagt Schitter, „man kann es aber nicht uns allein umhängen“. Der Verbandspräsident fordert einen nationalen Schulterschluss in Form eines „Klimapaktes“, bei dem es auch darum gehe: „Wie schaffen wir es, die Bevölkerung miteinzubeziehen“, sagte er in Bezug auf Widerstände gegen Kraftwerkspläne und Hochspannungsleitungen, aber auch auf Energiesparmaßnahmen. Von der Politik fordert er, das auf Eis liegende Erneuerbaren-Energie-Gesetz (EAG) rasch umzusetzen, damit es bereits 2021 in Kraft treten kann. „Das muss die jetzige Regierung noch tun – nicht wieder warten.“