Niederlande

Isolierte Familie: Auch Vater in Haft, weitere Kinder schreiben Brief

Ein Sonderteam mit insgesamt 30 Beamten ermittelt in Ruinerwold.
© ANP/AFP

Der Fall einer Familie, die neun Jahre isoliert auf einem Bauernhof lebte, schockiert die Niederlande. Der Eigentümer des Guts sitzt in Untersuchungshaft. Der Familienvater wurde wegen mehrerer Delikte ebenfalls verhaftet. Nun melden sich drei weitere Kinder von ihm mit einem Brief zu Wort.

Ruinerwold, Wien – Im Fall der isoliert auf einem Bauernhof in den Niederlanden lebenden Familie hat die Staatsanwaltschaft am Freitag per Twitter mitgeteilt, dass sie nun alleinig für Kommunikation zuständig ist. Am Donnerstag wurde zuvor über den Österreicher die U-Haft verhängt und auch der 67-jährige Vater festgenommen. Es besteht jeweils der Verdacht der Freiheitsberaubung, der Misshandlung und Geldwäsche.

Letzteres Delikt wird den Verdächtigen zur Last gelegt, weil die Ermittler auch eine große Summe Bargeld auf dem Gelände sichergestellt hatten. Bei den sechs jungen Erwachsenen, die möglicherweise neun Jahre gegen ihren Willen auf dem Bauerhof in der niederländischen Provinz Drenthe festgehalten worden sind, handelt es sich um vier Frauen und zwei Männer im Alter von 18 bis 25 Jahren. Das berichtete die stellvertretende Polizeichefin in Drenthe, Janny Knol, im niederländischen Fernsehen. Sie hätten gegenüber der Polizei angegeben, dass der 67-Jährige ihr Vater sei. Sowohl das Alter wie auch die Vaterschaft sind aber noch Gegenstand der Ermittlungen. Es gebe keinen Eintrag im Geburtenregister, der die Altersangaben bestätigen würde.

Der Bauernhof, wo sechs Menschen über neun Jahre offenbar völlig isoliert gelebt haben.
© dpa

Ein Sonderteam mit insgesamt 30 Beamten ist mit den Ermittlungen betraut worden, die forensische Untersuchung des Bauernhofs wurde am Freitag fortgesetzt, schrieb die niederländische Polizei in einer Stellungnahme. Auf dem Hof sollen die Kinder jahrelang in einem abschließbaren isolierten Raum mit mehreren Kammern gehaust haben, berichtete Knol. Im Garten seien sie zwar dann und wann gewesen, das Gelände hätten sie aber nie verlassen.

Angehörige meldeten sich in Brief zu Wort

Am Donnerstagabend wurde in mehreren Medien zudem ein Schreiben publiziert, das von „Brüdern, Schwestern und einem Sohn“ des 67-Jährigen stammen soll. Das Schreiben, das unter anderem auf der Webseite des „Dagblad van het Noorden“ veröffentlicht worden ist, enthält die Bitte, die Privatsphäre zu respektieren. Man habe den Fall mit Bestürzung zur Kenntnis genommen und sei vor einigen Tagen von einem Familienmitglied über die Identität der in Ruinerwold Gefundenen informiert worden. Der 67-Jährige soll demnach bereits in den 1980er-Jahren die Verbindungen zu seinen Verwandten abgebrochen haben. Vor acht Jahren sollen sich dann drei seiner insgesamt neun Kinder von ihm abgesetzt haben. Seitdem hätten sie nicht gewusst, was aus dem damals noch gesunden Vater und ihren Geschwistern wurde.

Als die Mutter des jetzt 67-Jährigen 2017 starb, also die Großmutter der Kinder, sollen die Behörden versucht haben, den Aufenthaltsort des Sohnes zu ermitteln, was aber nicht gelang.

Großvater war Schriftsteller

Wie der Kurier berichtet, bringt die Familie in dem Brief die Hoffnung zum Ausdruck, dass den verschwundenen Kindern jetzt geholfen wird. Der Vater des 67-Jährigen, ein bekannter Schriftsteller in Holland, sei dement, lebe in einer geschlossenen Einrichtung und würde nichts mehr von dem Drama in seiner Familie mitbekommen. Unterschrieben wurde die Erklärung von „Brüdern, Schwestern und einem Sohn“ des 67-Jährigen.

Keine weitere Information mehr über Vorleben des Österreichers

Was den verdächtigen Österreicher betrifft, so hält das österreichische Bundeskriminalamt (BK) inzwischen den Kontakt mit den niederländischen Behörden aufrecht. Aus datenschutzrechtlichen Gründen werde es gegenüber den Medien aber keine weitere Informationen über das Vorleben des 58-jährigen Verdächtigen geben, sagte BK-Sprecher Vincent Kriegs-Au am Freitag gegenüber der APA. Am Donnerstag hieß es vom Landeskriminalamt (LKA) Oberösterreich, dass der Verdächtige in der Ortschaft Waldhausen im Bezirk Perg geboren wurde.

Er habe ein kleines Bauernhaus in Pabneukirchen geerbt und 1983 verkauft, dann soll er laut LKA nach Wien übersiedelt sein. Laut APA-Recherchen ist der Mann dann aber wieder nach Oberösterreich zurückgezogen und lebte offiziell bis 2010 rund zehn Jahre wieder in einer Marktgemeinde im Bezirk Perg, dann folgte die endgültige Auswanderung in die Niederlande.

Vater der Kinder war kurz Mitglied der Moon-Sekte

Zu möglichen religiösen Hintergründen schrieb die Vereinigungskirche in Österreich, die auch unter dem Namen „Moon-Sekte“ bekannt ist, am Freitag in einer Aussendung, dass der Vater der Kinder „Mitte der 1980er-Jahre kurz Mitglied unserer Bewegung war, und dass er an psychischen Problemen litt“. Er sei 1987 aus der Organisation ausgetreten. Sein Bruder sei indes weiter Mitglied der Vereinigungskirche, habe aber seit 1984 nichts mehr von seinem Bruder gehört. Der 58-jährige Österreicher sei weder mit der Vereinigungskirche verbunden noch sei er ein Mitglied. Ob „ein bestimmter Glaube“ hinter dem Fall steckt, ist weiterhin Gegenstand der Ermittlungen. (APA/TT.com)

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