Willkommensparty: Neuer Chef des Tiroler Symphonieorchesters
Auftakt nach Maß für den neuen Chefdirigenten Kerem Hasan mit dem Symphonieorchester. Gastpianist Inon Barnatan als weiteres Highlight eines spektakulären Konzertabends.
Von Markus Schramek
Innsbruck –Lautstarke Begeisterung und Bravorufe nach jedem gespielten Beitrag. Auch am Tag danach, selbst immer noch leicht euphorisiert, ist man versucht zu schreiben, es habe eine Art Partystimmung geherrscht. So ausgelassen, wie sich das für Gäste eines Klassik-Konzertes eben schickt.
Kerem Hasan, 27-jähriger Youngster und neuer Chefdirigent des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck (TSOI), wurde am Donnerstagabend im Innsbrucker Congress, nach getaner Arbeit am Pult, jedenfalls auf das Freundlichste und Ausgiebigste willkommen geheißen. Dem Briten und seinem Orchester glückte mit dem 1. Symphoniekonzert ein Traumstart in die neue Saison unter neuer, eben Hasans, Führung.
Bald wird sich weisen, ob sich die Beziehung Publikum–Taktgeber ähnlich harmonisch, weil beiderseits beglückend, weiterentwickelt.
Hasan agierte so, als ob er das TSOI schon länger unter seinen Fittichen haben würde. Keine Spur von Anpassungsproblemen. Mit sanften, wogenden Bewegungen unterstützte der Dirigent die Streicher, den Weg eines Bogens ganzkörperlich nachahmend. Ein paar Takte später verwandelte sich der Vorderste dann in einen energischen Motivator. Mit nachdrücklichen Gesten ließ er das Musikerkollektiv Verve, Leidenschaft und Tempo herausarbeiten.
Mit Benjamin Brittens „Young Person’s Guide to the Orchestra“ wählte Hasan ein richtiges Präsentierstück zum Start. Jede Instrumentengruppe hatte ihren großen, auch solistischen Auftritt. Das gelang prächtig, getragen von Spielfreude und Pep. Schon nach diesem Opener war klar, dass das TSOI an diesem Abend zu großer Form auflaufen würde.
Und es kam noch viel besser. Pianist Inon Barnatan nahm am Flügel Platz, als Solist von Mozarts Klavierkonzert Nr. 23 in A-Dur (KV 488). Hier gab ein Superstar Innsbruck die Ehre, ein lockerer, unprätentiöser Musiker noch dazu, der seine Solopartie grandios interpretierte, mit einem Lächeln auf den Lippen. Immer wieder warf Barnatan den Orchestermusikern, die ihn durch das Mozart-Stück begleiteten, anerkennende Blicke zu. Ein schönes Zusammenwirken.
Die Zuhörerschaft, schon ziemlich aus dem Häuschen, ließ diesen Könner nicht mehr ohne Weiteres von der Bühne. Also packte Barnatan Mendelssohns „Rondo Capriccioso“ als Zugabe aus. Ein Stück für fingerfertige Tastenakrobaten. Da blieb mancher Mund vor Staunen offen.
Nicht alles aber ist eitel Wonne auf dieser Welt. So setzte die Symphonie Nr. 10 in e-Moll (op. 93) von Dmitri Schostakowitsch (1906–1975) nach der Pause einen Kontrapunkt. Düster, dunkelgrau und drängend, ließ dieses Großstück des Russen erahnen, was Schostakowitsch unter dem Terror Stalins zu erdulden hatte. Der Komponist nutzte Musik als Ventil, um sich Luft zu verschaffen.
Nach 2,5 Konzertstunden, in dieser Intensität fern von alltäglich, hing jedermann in den Seilen – erschöpft, aber rundum zufrieden: Dirigent, Orchester und Zuhörer.