Monumentalbau Landhaus: „Man fand gut, was Hitler gut fand“
Der renommierte Historiker Manfred Grieger wünscht sich einen dauerhaften Diskussionsprozess um das Neue Landhaus als „Zentrum der Macht und Politik“.
Von Brigitte Warenski
Innsbruck –Die Nationalsozialisten stellten mit dem „Gauhaus“ die Macht der Partei im Reichsgau Tirol-Vorarlberg zur Schau. Heute ist das gleiche Gebäude Sitz des Tiroler Landtags und der Landesregierung. Über 80 Jahre nach der Firstfeier des monumentalen NS-Baus am Innsbrucker Eduard-Wallnöfer-Platz arbeitet eine Expertenkommission wie berichtet die Geschichte des „Neuen Landhauses“ auf. „Die Zeit- und Architekturhistoriker haben diese Woche erstmals das Material präsentiert, das sie seit Juli zusammengetragen haben“, erzählt der renommierte deutsche Historiker Manfred Grieger, der der Expertenkommission (mit Ingrid Böhler, Lukas Morscher, Horst Schreiber, Christoph Hölz, Christoph Haidacher, Walter Hauser) vorsitzt. Bekannt ist zur Baugeschichte, „dass die Verwaltung schon längst das Bedürfnis nach mehr Platz hatte. Zu klären gilt es, ob es bereits im Ständestaat Pläne gab, eine Erweiterung zum alten Landhaus zu schaffen, und diese Pläne wegen der Weltwirtschaftskrise erst von den Nationalsozialisten wieder aufgegriffen wurden, weil Geld hier keine Rolle mehr spielte. Man hat sich verschuldet und drauflosgebaut – u. a. auch Autobahnen – und gerade Tirol hat sich in der NS-Zeit ziemlich verändert“, so Grieger.
Kaum vorstellbar ist für die meisten Tiroler, dass der NS-Herrschaftsbau damals bei Weitem nicht so zur Geltung kam wie heute. „Rundherum standen Häuser.“ Zudem überragte der bedeutendste Nazi-Repräsentationsbau der Ostmark nicht einmal alle anderen Häuser in Innsbruck. „Das IKB-Gebäude – damals Elektrizitätswerke Innsbruck – von Lois Welzenbacher war höher als das Gauhaus, was vielleicht wegen der Verbauung des Platzes gar nicht so im Bewusstsein war“, so Grieger.
Dass das „Gauhaus“ in seiner Architektur der Reichskanzlei in Berlin ähnelte, „hat damit zu tun, dass die Architekten und Stadtplaner um die Anerkennung Hitlers gerungen haben und das gut fanden, was Hitler gut fand. Daher gab es eine Form in der Architektur, die bei öffentlichen Bauten recht häufig war.“ Zudem funktionierte laut Grieger auch im Dritten Reich „die ,Old boy connection‘. Man hat sich gegenseitig Aufträge und Geld zugeschanzt.“ Daher lag der Bau des „Gauhauses“ in den Händen der Innsbrucker Architekten Walter und Ewald Guth. Den Auftrag für das nie realisierte „Gauforum“ – eine Achse mit Aufmarschplatz und Verwaltungsgebäuden vom heutigen Riesenrundgemälde entlang der Ing.-Etzel-Straße – bekam der Wolfsburger Stadtplaner Peter Koller, „der ab 1931 NSDAP-Mitglied und ein Spezi von Albert Speer war“.
Nicht nur das Gebäude selbst, sondern „auch die soziale Verortung von Politik und Macht“ ist der Expertenkommission in der Aufarbeitung ein wichtiges Anliegen. „Wir suchen nach Antworten auf die Fragen, wer dort gearbeitet hat und was dort zulasten Dritter entschieden wurde. Und wie sehen die Kontinuitäten sowohl bei Personen wie auch in der Verwaltung nach Kriegsende aus?“ Der Fragenkatalog für die Expertenkommission ist noch lang, „viele Themen können wir nur am Rand behandeln, dafür ist das Projekt, das mit einem Jahr angesetzt ist, einfach zu kurz“, sagt Grieger.
Welche Zeichen der Erinnerungskultur die Kommission zu Projektschluss im Dezember 2020 empfehlen könnte, lässt Grieger im Groben durchblicken. „Ich halte wenig von einem Mahnmal, weil das suggeriert, dass ein endgültiger Schlusspunkt gesetzt wurde, was bei einer historischen Aufarbeitung nie der Fall ist. Damit würde man in 30 Jahren mehr Fragen aufwerfen als man Antworten gibt.“
Der Historiker kann einem dauerhaften Prozess der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit mehr abgewinnen. „Ich halte mehr davon, regelmäßig u. a. durch Kunstprojekte einen verunsichernden Blick auf das Gebäude und den gesamten Wallnöfer-Platz zu werfen und damit immer wieder Diskussionsprozesse auszulösen.“ Dass nicht alle Vorschläge der Kommission überall auf Zustimmung stoßen werden, ist sich Grieger bewusst. „Wenn die Aufarbeitung der Geschichte nur einen Wohlfühlfaktor hätte, wäre die Aufgabe nicht gelungen.“