Der Anti-Trump Kanadas muss zittern
Vor vier Jahren versprach Justin Trudeau „sonnige Wege“ – nun könnte der einst gefeierte kanadische Premier nach Skandalen am Ende sein. Bei der knappen Parlamentswahl heute in Kanada hat er aber einen Vorteil:
Ottawa –Es wird ein spannender Wahltag in Kanada. Denn die beiden größten Parteien im Land lagen zuletzt in Umfragen nah beieinander – der Regierungsstuhl des einstigen Polit-Superstars Justin Trudeau wackelt bedenklich.
Der einst als liberaler Held angetretene und als „Anti-Trump“ betitelte Premier ist angeschlagen. Erst wurde öffentlich, dass er Ermittlungen gegen das kanadische Unternehmen SNC Lavalin wegen Schmiergeldzahlungen in Libyen unterdrücken wollte – eine Ethik-Kommission kam zu dem Schluss, dass Trudeau sich falsch verhalten hatte. Im September dann tauchte ein 20 Jahre altes Bild auf, das Trudeau mit dunkel geschminktem Gesicht – verkleidet als Aladdin – auf einer Party zeigte. Trudeau entschuldigte sich für sein „rassistisches“ Verhalten.
Doch die Skandale schadeten ihm nicht in dem Maße, wie seine Gegner hofften. Die meisten Kanadier seien der Meinung, Trudeau besser zu kennen, erklärt Meinungsforscher David Coletto. „Das ist 20 Jahre her und wenn Sie auf seine Karriere als Politiker schauen, sehen Sie, dass es nicht passt.“ Schließlich habe Trudeau Minderheiten aktiv eingebunden.
Nichtsdestotrotz: Viele sind ernüchtert, dass Trudeau einige seiner Versprechen – eine Wahlrechtsreform oder ein ausgeglichener Haushalt bis 2019 – nicht gehalten hat. Kritiker empfinden auch seine Klimapolitik trotz der Einführung einer CO2-Steuer als nicht weitreichend genug.
Doch es gab auch Erfolge: eine bessere Unterstützung für einkommensschwache Familien, die recht reibungslose Legalisierung von Cannabis und die Rettung des zwischenzeitlich am Abgrund stehenden Handelsabkommens Nafta mit den USA und Mexiko.
Helfen könnte ihm ausgerechnet sein Herausforderer. Der 40-jährige Andrew Scheer wirkt steif und farblos. Trudeau, obwohl sieben Jahre älter, um einiges dynamischer.
Sehr gelegen kam Trudeau zuletzt auch die Wahlempfehlung des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama. Der hatte auf Twitter geschrieben, die Welt brauche Trudeaus „progressive Führung“. Das sehen auch viele Kanadier so. Sie tendieren eher zu liberaler und linker Politik. Scheers konservative Ansichten etwa zu Abtreibung oder Schwulenehe kommen bei ihnen nicht gut an. Und sein Programm ist für viele zu verwaschen.
Laut Umfragen dürfte keine der Parteien die absolute Mehrheit von 170 Sitzen erreichen. Im Falle einer nötigen Minderheitsregierung – in Kanada nichts Ungewöhnliches – würde die Stunde der kleinen Parteien schlagen. Ausschlaggebend könnten am Ende neben Yves-François Blanchet vom regionalen Bloc Québécois die Sozialdemokraten von Jagmeet Singh sein. Blanchet will Scheer unterstützen, Rote und Grüne nicht. (TT, dpa)