PSA und Fiat Chrysler wollen Fusion, Auswirkung auf Österreich möglich
Die Konzerne wollen mit der Fusion den viertrößten Autohersteller der Welt schaffen. Verlierer könnte Opel sein und damit auch der Standort in Wien.
Paris, Mailand – Die beiden Autokonzerne PSA und Fiat Chrysler (FCA) haben am Mittwoch bestätigt, dass sie Gespräche über eine Fusion führen. „Es gibt laufende Diskussionen, die darauf abzielen, eine der führenden Mobilitätsgruppen der Welt zu schaffen“, schrieb FCA in einer kurzen Mitteilung am Mittwoch. Gegenwärtig habe man nichts weiter hinzuzufügen, hieß es darin. Eine gleichlautende Mitteilung gab es von PSA.
Das Wall Street Journal hatte am Dienstag berichtet, Fiat Chrysler und der PSA wären an der Börse rund 50 Milliarden Dollar (45 Milliarden Euro) wert. Peugeot-Chef Carlos Tavares soll den Konzern nach Angaben des Blattes als Vorstandsvorsitzender führen, der FCA-Verwaltungsratsvorsitzende John Elkann – Enkel des langjährigen Fiat-Bosses Giovanni Agnelli – würde dieselbe Rolle bei dem neuen Unternehmen einnehmen.
Autohersteller unter großem Druck
Der französische Autokonzern PSA führt die Traditionsmarken Peugeot und Citroen und hat 2017 Opel und Vauxhall vom US-Autokonzern GM übernommen. Fiat Chrysler hat die Marken Alfa Romeo, Chrysler, Dodge, Jeep, Lancia oder Maserati unter seinem Dach. Autohersteller stehen unter einem riesigen Druck, denn sie müssen in autonome Autos und Elektromobilität investieren.
PSA verkaufte im vergangenen Jahr 3,9 Millionen Fahrzeuge und machte einen Umsatz von rund 74 Milliarden Euro. Fiat Chrysler verkaufte 4,8 Millionen Fahrzeuge und erzielte einen Umsatz von 110 Miliarden Euro. Gemeinsam würden sie – gemessen an der Zahl der 2018 verkauften Fahrzeuge – den viertgrößten Autokonzern der Welt bilden, nach Volkswagen, der Allianz von Renault, Nissan und Mitsubishi sowie Toyota.
Die Fusion würde PSA einen Zugang zum US-Markt geben, wo Fiat Chrysler unter anderem mit den Marken Jeep und Dodge RAM in sehr lukrativen Segmenten aktiv ist. Fiat Chrysler wiederum braucht einen Partner für den asiatischen Markt und will seine Rolle in Europa stärken.
Auswirkungen auch in Österreich
Fiat Chrysler ist nach Einschätzung des Branchenexperten Ferdinand Dudenhöffer in einer schwierigen Lage. Diese dränge ihn zur Eile, sagte Dudenhöffer der Deutschen Presse-Agentur. „FCA hat keine Zeit, sie sind in einer sehr schwierigen Lage, weil sie keine Elektrofahrzeuge und nur alte Technologien haben. Sie brauchen dringend und schnell einen Partner“, so Dudenhöffer.
Das im Juni gescheiterte Zusammengehen mit Renault-Nissan wäre für FCA die bessere Lösung gewesen, sagte der Experte weiter. Nissan sei in den USA stark und habe auch in China bessere Verkäufe. Das Produktportfolio von Renault-Nissan-FCA wäre stärker als das von PSA-FCA. Da diese Lösung aber nicht zustande gekommen sei, mache nun der PSA-Deal Sinn.
Als Verlierer der Fusion sieht der Autoexperte Opel. Nach einem möglichen Zusammenschluss müsse „einiges an Überkapazitäten“ abgebaut werden - womöglich beim deutschen Autobauer. Weder in Frankreich noch in Italien seien demnach bedeutende Stellenstreichungen wahrscheinlich. Ob PSA und Fiat Chrysler dagegen beispielsweise das Rüsselsheimer Opel-Entwicklungszentrum weiter betreiben wollen, hält der Autoexperte für fraglich. Zum derzeitigen Sanierungsplan bei Opel gehört unter anderem ein Abbau von 2.000 der 6.400 Stellen im Entwicklungszentrum, der französische Ingenieursdienstleister Segula übernahm bereits Teile der Entwicklungsarbeit in Rüsselsheim.
Dies könnte auch Auswirkungen auf Österreich haben. Opel betreibt in Wien-Aspern eine Getriebe- und Motoren-Fabrik. Im Frühjahr wurde dort bereits ein Jobabbau angekündigt: Rund 400 der insgesamt knapp 1.200 Stellen wurden gestrichen.
Verhandlungen mit Renauld scheiterten
Die italienische Metallarbeitergewerkschaft UILM betonte, eine Fusion müsse ihrer Ansicht nach ein Zusammenschluss unter Gleichen sein. Dabei dürften keine Stellen gestrichen werden, forderte Gewerkschaftschef Rocco Palombella am Mittwoch. Der italienische Industrieminister Stefano Patuanelli erklärte, die Regierung beobachte die Entwicklung. Ein möglicher Zusammenschluss sei eine marktwirtschaftliche Operation.
Fiat Chrysler wollte sich bereits zuvor mit dem französischen Hersteller Renault verbinden und den weltweit drittgrößten Autohersteller formieren. Die Gespräche scheiterten jedoch. Nach monatelangen Verhandlungen zog Fiat Chrysler im Juni sein Offert für einen Zusammenschluss überraschend zurück.
Die Schuld für das Scheitern schoben sich Renault und FCA dann gegenseitig zu. Fiat Chrysler erklärte, der französische Autobauer habe die Entscheidung über förmliche Fusionsgespräche verzögert – Hersteller Renault, an dem der Staat 15 Prozent der Anteile hält, sagte, der italienische-amerikanische Konzern habe Druck gemacht und zudem nicht auf die ausdrückliche Zustimmung des japanischen Partners Nissan warten wollen.
Viele Chancen
PSA-Chef Tavares gilt in der Branche als ein harter Sanierer. So wird Opel wird von den Franzosen auf Effizienz getrimmt und arbeitet wieder profitabel, beschäftigt aber deutlich weniger Mitarbeiter.
Der 1899 gegründete Autohersteller Fiat – eines der wichtigsten Unternehmen der italienischen Wirtschaftsgeschichte - war 2014 in der Fiat Chrysler Automobiles (FCA) aufgegangen. Die italienische Zeitung La Repubblica warnte am Mittwoch, dass die französische Regierung, wie schon bei der gescheiterten Fusion mit Renault, das Projekt gefährden könnte. „In Frankreich ist die Regierung dieselbe geblieben, und sie ist Aktionärin bei Peugeot, wie sie es bei Renault war. Was hat sich geändert?“, fragte das Blatt. Möglicherweise sei die Regierung in Paris dieses Mal zurückhaltender in ihren Anforderungen.
Nach Ansicht des deutschen Auto-Experten Stefan Bratzel bietet eine Fusion zwischen PSA und Fiat Chrysler viele Chancen. Die Franzosen könnten so auf dem US-Markt Fuß fassen, sagte der Leiter des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach am Mittwoch. Mit Marken wie Peugeot, Citroen, DS und Opel ist PSA bisher nicht in Nordamerika vertreten, FCA hat dagegen eine starke Marktposition mit Chrysler, Dodge und Jeep.
„Fusion unter Gleichen funktioniert nicht“
Auch auf dem europäischen Markt würde der PSA-Marktanteil mit Fiat weiter wachsen, erklärte Bratzel. Weitere Skaleneffekte im Einkauf seien zu erwarten, wenn künftig auch Fiat-Autos auf Plattformen des PSA-Konzerns stünden. Ähnlich wie nach der Übernahme der früheren General-Motors-Tochter Opel wäre bei Fiat eine harte Sanierung zu erwarten. „PSA-Chef Carlos Tavares macht das, was notwendig ist. Er ist sich auch nicht zu fein, die Brechstange auszupacken“, sagte Bratzel.
Dies sei allerdings nur möglich, wenn der Pariser Konzern die Führung im neuen Unternehmen übernehmen könnte. „Eine Fusion unter Gleichen würde nicht funktionieren“, erklärte der Wissenschafter. Gemeinsame Plattformen, Werkschließungen oder das mögliche Ende von „Zombie-Marken“ wie Lancia seien sonst nicht durchsetzbar. Die Logik der weltweiten Automobilindustrie laufe auf immer größere Einheiten hinaus, um die anstehenden Investitionen in Elektromobilität, autonomes Fahren oder Konnektivität bewältigen zu können. (APA, dpa, AFP, Reuters)