Ernährung

Lebensmittelsicherheit: Österreicher unterschätzen Krankheitserreger

Die Erwärmung der Meere kann auch zu vermehrten Belastungen von Fischen mit Toxinen von Algen führen.
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Bei den direkten Auswirkungen geht es um höhere Temperaturen mit veränderten Niederschlagsmustern. Pilzgifte wie Aflotoxine sind in weniger entwickelten Ländern jetzt schon eine große Belastung.

Wien – Die österreichische Bevölkerung unterschätzt die von Krankheitserregern ausgehende Gefahr auf die Lebensmittelsicherheit. Dagegen wird das von Mikroplastik, Antibiotikarückständen oder Pflanzenschutzmitteln ausgehende Risiko überschätzt. Das ergab eine am Montag präsentierte repräsentative Befragung der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES).

„Die Wahrnehmung der Bevölkerung, aber auch der Ärzte und Journalisten deckt sich nicht mit den Ergebnissen von tausenden Untersuchungen, die wir als AGES durchgeführt haben“, sagte AGES-Geschäftsführer Thomas Kickinger bei einer Pressekonferenz in Wien. Die rund 600 befragten Verbraucher würden sich vor abstrakten Gefahren wie Mikroplastik oder Hormonrückständen fürchten, während Krankheitserregern in Lebensmitteln wenig Beachtung geschenkt werde - und dass „obwohl es jedes Jahr tausende Erkrankungen und auch Todesfälle gibt“, so Kickinger.

Das von Pflanzenschutzmitteln ausgehende Risiko werde von der Bevölkerung dagegen überschätzt, meinte der AGES-Geschäftsführer. Schließlich würden über 97 Prozent der diesbezüglich untersuchten Proben den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Seit 2010 wurden lediglich neun Lebensmittel aufgrund des eingesetzten Pflanzenschutzmittels als gesundheitsschädlich bewertet. Wichtig sei es deshalb, Vertrauen bei den Verbrauchern, aber auch den Journalisten und Ärzten zu schaffen, meinte Kickinger.

Klimawandel beeinflusst Lebenmittelsicherheit

Der Klimawandel beeinflusst auch die Lebensmittelsicherheit. Das reicht von Belastungen mit Pilz- und Algentoxinen bis hin zu den „üblichen Verdächtigen“, wie Salmonellen oder Campylobacter-Keimen. Dies erklärte der Geschäftsführende Direktor der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA/Parma), Bernhard Url, in einem Gespräch mit der APA.

„Der Klimawandel wird viele Auswirkungen haben. Bei den direkten Auswirkungen geht es um höhere Temperaturen mit veränderten Niederschlagsmustern, Starkregen etc. Pilzgifte, zum Beispiel Aflotoxine, sind da in weniger entwickelten Ländern jetzt schon eine große Belastung. Die Erwärmung der Meere kann aber auch zu vermehrten Belastungen von Fischen mit Toxinen von Algen führen. Das hat man zum Beispiel schon im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts auf den Balearen beobachtet“, sagte Url, der seit 2014 die EU-Behörde leitet.

Die „üblichen“ Verdächtigen

Man müsse aber auch mit höheren Durchschnittstemperaturen mit einem veränderten Risiko durch die „üblichen Verdächtigen“ rechnen. „Das sind Salmonellen und Campylobacter“, sagte der Experte. Während es in den vergangenen Jahren durch ein Bündel von Maßnahmen inklusive dem Vorhandensein eines Impfstoffes in Ländern wie Österreich gelang, die Salmonellenerkrankungen zurückzudrängen, war man bisher bei Campylobacter (vor allem in Fleisch und Fleischprodukten; Anm.) viel weniger erfolgreich. Eine Vakzine gibt es nicht.

Auch mit Listerien, erst vor kurzem sorgte die Kontamination von Wurstwaren vor allem in Deutschland für Aufregung, gibt es eine anhaltende Problematik mit Krankheitsausbrüchen. Url: „Bei den Listerien haben wir in den vergangenen fünf Jahren einen Anstieg der Zahl der Fälle gesehen, nicht aber zum Beispiel 2017. Das sind aber schwere Erkrankungen, bei denen im Durchschnitt 20 bis 30 Prozent der Betroffenen sterben. Während es früher vor allem Schwangere und Immungeschwächte waren, die erkrankten, sehen wir Listerieninfektionen vermehrt bei älteren Männern über 65 Jahre.“ Die Gründe dafür seien nicht bekannt. Wahrscheinlich helfe nur ein ganzes Bündel an Maßnahmen, um lebensmittelbedingte Listerienausbrüche zu verhindern. Hier arbeite die EFSA an einer Stellungnahme für Vorkehrungen in der Primärproduktion von Lebensmitteln, die Anfang 2020 verabschiedet werden soll.

Lange Liefer- und Produktionsketten als Problem

Aus der modernen Welt nicht mehr wegzudenken, sind oft lange Liefer- und Produktionsketten für Lebensmittel. „Das ist eine Realität, die nicht mehr weggehen wird. Aber hier kann modernes Datenmanagement helfen, im Fall von Problemen den Weg von Produkten schneller zurückzuverfolgen“, erklärte Url. Man habe sicher auch aus Krisen wie die 2011 vor allem in Deutschland plötzlich aufgetretenen schweren E. coli-Erkrankungen mit einigen Dutzend Todesopfern infolge der Belastung von Sprossen aus Ägypten gelernt. Schwierig werde es aber bei Lebensmittelprodukten mit vielen verarbeiteten Zutaten.

Immer wieder stand die EFSA in den vergangenen Jahren auch im Mittelpunkt von Diskussionen über ihre auf der Basis von wissenschaftlichen Informationen erfolgten Stellungnahmen, zum Beispiel zu Herbiziden etc.. Hier existiert eindeutig ein Spannungsfeld zur Politik. „Wir beklagen uns nicht. Aber wir interpretieren bloß die wissenschaftlichen Daten“, sagte Url. Die Politik wäre schlecht beraten, wenn sie, weil sie eine bestimmte Meinung vertrete, wissenschaftliche Stellungnahmen entwerte, von Inkompetenz oder gar Korruptheit spreche. Das sei schädlich und schwäche aus tagespolitischen Motiven heraus das Vertrauen in eine EU-öffentliche Institution. (APA)

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