“Adam und Evelyne“: Ein Schneider als unpolitischer Träumer
Mit „Adam & Evelyn“ und einer kleinen Filmreihe feiert das Leokino das Jubiläum des Mauerfalls vom 9. November 1989.
Innsbruck –Für einen wie Adam (der Österreicher Florian Teichtmeister) wäre im DDR-Kino kein Platz gewesen.
Der Schneidermeister betreibt fern jeder sozialistischen Moral seine Werkstatt in einem verfallenden Haus inmitten eines verwilderten Gartens irgendwo in Sachsen. Seine Kundinnen lieben es, wenn er statt des Maßbandes die Hände nimmt, um sich ein Bild zu machen. Das findet seine Freundin Evelyn (Anne Kanis) nicht so toll, aber wahrscheinlich hängt er ohnehin mehr an seinem Wartburg. Immerhin teilen sich beide 1961 als Geburts- und Baujahr. Ja, da war noch etwas in diesem Jahr. Im August 1961 wurde die Berliner Mauer errichtet. Ein Land wurde geteilt und die Menschen der DDR befanden sich in einem Gefängnis. So wurde die Trennung jedenfalls in den westlichen Medien beschrieben.
Im August 1989, als sich auch im DDR-Radio die Nachrichten über Flüchtlinge in den deutschen Botschaften in Prag und Budapest häufen, fühlt sich Adam eher bedrängt und belästigt. Dem Flüchtlingsstrom schließt er sich nur widerwillig an.
Mit Andreas Goldsteins stiller Wendekomödie „Adam & Evelyn“ – nach Ingo Schulzes gleichnamigen Roman – eröffnet das Innsbrucker Leokino am 7. November die lose Filmreihe zu „Wende und Mauerfall“ vom 9. November 1989. Die Reihe endet am 28. November mit Wolfgang Beckers „Good Bye, Lenin!“ und einer Debatte über unterschiedliche Sichtweisen auf DDR-Geschichte und Wiedervereinigung, der im Gegensatz zum Mauerfall ein Feiertag gewidmet ist.
Aber nicht nur Träumer waren im DDR-Kino ein Tabu. Bereits 1965 wurde die Wirklichkeit von der Leinwand verbannt, um „schädliche ideologische Erscheinungen des Skeptizismus und der Entfremdung“ zu verhindern, wie nach dem 11. Plenum des Zentralkomitees der SED am 19. Dezember 1965 im Neuen Deutschland zu lesen war. Prominentestes Opfer der Säuberung war der Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase, Jahrgang 1931, der am 8. und 9. November im Österreichischen Filmmuseum nach der Vorführung seiner Filme „Berlin – Ecke Schönhauser“ (1957) und „Solo Sunny“ (1980) von seinen Erfahrungen und Utopien erzählen wird. Kohlhaases Auftrittstermine verirrten sich letzte Woche an dieser Stelle in die Filmkritik zu „Und der Zukunft zugewandt“ und wurden fälschlicherweise die Tage des Mauerfalls.
Adam begegnet der „friedlichen Revolution“ am 9. November ohnehin mit Vorbehalten. Im Westen angekommen erweckt nur sein Oldtimer Begehrlichkeiten und für einen wie ihn, der am Rand der Gesellschaft leben möchte, ist schon wieder kein Platz. (p. a.)