Erneut Schüsse auf Demonstranten im Irak
Irakische Sicherheitskräfte haben erneut mit scharfer Munition auf regierungskritische Demonstranten in Bagdad geschossen. Ein AFP-Reporter beobachtete am Mittwoch, wie Demonstranten auf der Al-Shuhada-Brücke mehrere Menschen mit Schussverletzungen bargen. Nach Medizinerangaben erlagen unterdessen mindestens vier Menschen ihren Verletzungen, die sie bei vorangegangenen Protesten erlitten hatten.
Angesichts der seit Tagen anhaltenden Kappung des Internets befürchten Aktivisten, dass dies Vorbote eines neuen gewaltsamen Vorgehens gegen die Proteste ist. Die Demonstrationen im Irak hatten am 1. Oktober begonnen und richteten sich zunächst gegen die verbreitete Korruption und hohe Arbeitslosigkeit. Die Regierung stellte daraufhin Sozialreformen und Verfassungsänderungen in Aussicht, doch die Demonstranten fordern inzwischen den Rücktritt oder die Entlassung sämtlicher als korrupt oder inkompetent angesehenen Politiker und eine komplette Erneuerung des politischen Systems.
Die Proteste im Irak haben nach offiziellen Angaben zu Verlusten in Höhe von mehr als sechs Milliarden Dollar (5,4 Mrd. Euro) geführt. Hunderte Lastwagen hätten den wichtigen Hafen in Umm Kasr im Süden wegen der seit fünf Tage laufenden Sitzblockade nicht erreichen können, sagte Militärsprecher Abdel-Karim Khalaf am Mittwoch. „Das hat dem Land schweren Schaden zugefügt.“ Friedliche Demonstrationen sollten der irakischen Wirtschaft nicht schaden oder sie „zerstören“.
Stunden zuvor hatten einige Demonstranten Straßen blockiert, die zu Ölfeldern im Süden des Landes führen. Aus der Ölindustrie hieß es, die Demonstranten hätten sich an Feldern des staatlichen Ölkonzerns Missan versammelt und würden Arbeit verlangen. Betrieb, Produktion und Export liefen aber normal weiter. Khalaf bezeichnete die Blockade von Straßen an den Ölfeldern als „gefährliche Eskalation“. Der Staat sei verpflichtet, die Protestler von den Fördergebieten fernzuhalten.
In der ersten Welle der Proteste Anfang Oktober starben innerhalb von sechs Tagen 157 Menschen. Seitdem die Proteste am 24. Oktober erneut aufflammten, wurden nach einer Zählung der Nachrichtenagentur AFP mindestens 120 Menschen getötet. Die Behörden geben keine Zahlen zu Todesopfern bei den Protesten mehr heraus.
Seit Montag ist das Land erneut vom Internet abgeschnitten. Aktivisten sehen darin ein mögliches Vorzeichen eines drohenden Blutvergießens. Medizinern zufolge wurden zudem drei Ärzte verschleppt, die auf dem zentralen Tahrir-Platz Demonstranten behandelt hatten. Zuvor war bereits eine Sanitäterin verschwunden.