Max und Moritz in Reutte oder die Wunden der Zeit
Die Reuttener Heimatbühne holt Max und Moritz und ihre Streiche ins Jahr 2019 und feierte damit am Donnerstag fulminante Premiere.
Von Markus Hauser
Reutte –Die Moral der Geschichte sei vorweggenommen: „Die Hälfte denken, beschert doppelten Spaß.“ Selbiger ist nämlich garantiert, wenn sich die Reuttener Laienschauspieler daranmachen, Wilhelm Buschs Geschichte von Max und Moritz in das Hier und Heute zu transportieren.
Unter der Regie des aus Breitenwang stammenden und als Dramaturg und künstlerischer Produktionsleiter an den Wuppertaler Bühnen tätigen Peter Wallgram wird auf köstliche Art vorgeführt, wie es denn Max und Moritz erginge, spielten sie ihre mit so viel kriminellem Potential aufgeladenen Streiche im Jahre 2019. Nach dem dritten Streich, die Hühner sind verspeist und das Publikum weint mit der bemitleidenswerten Witwe Bolte (Sabrina Mürkl), wird ihr Fall in einer Talkshow, geleitet von einem durchgeknallten Moderator in der Person von Fritz Höllrigel, analysiert.
Die Expertenrunde, treffender ließen sich Klischees nicht transportieren: Psychologin Schneider-Böck (großartige Tamara Perl) sieht in Max und Moritz das Bild einer in Polarität gefangenen Seele und Therapiebedarf kann man auch ihr nicht absprechen. Die Eltern von Max, Sabrina Schild und Christian Mühlburger, verkörpern den Begriff „Kevinismus“ perfekt proletenhaft und untermauern die These, dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt.
Erziehungsexperten dürfen natürlich auch nicht fehlen, vertreten durch drei Lehrpersonen. Keine Leuchten der Gesellschaft, mehr Lämpchen, Vertreter eines biederen Bildungsideals. Der Religionslehrer (Roland Melekusch) hält es mit der „g’sunden Watschen, der Sportlehrer (Thomas Frick) setzt auf Bewegung statt Denken und eine spirituell angehauchte Musiklehrerin (Raphaela Siebenhüner) erkennt in den Taten von Max und Moritz enorm kreatives Potential.
Davor, dazwischen, danach wird getanzt, gesungen, gerappt – the show must go on. Über Videoeinspielung erfährt man von den Lebensumständen des armen Moritz. Armes Kind aus reichem Haus, ein Anarchist kommt da heraus! Buschs genialer Anschlag auf das damalige Bildungswesen kennt offensichtlich keine Zeit. Die Reuttener Heimatbühne weiß es mit surrealen Bildern und einer an der gesellschaftlichen Verblödung festgemachten Sprache sehr real zu deuten.
Köstlich, wenn zum Finale, ehe es Max und Moritz als Popcorn zu verkosten gilt, Kindergartenkinder über Video die Taten der beiden Schlingel reflektieren und mit erzieherischen Maßnahmen aufwarten.