Grünen-Chef Kogler: „Wie das ausgeht, wissen wir nicht“
Die Grünen haben sich im Erweiterten Bundesvorstand einstimmig für Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP ausgesprochen. Ob auch die Volkspartei das will, wird Parteichef Sebastian Kurz heute sagen.
Wien –Die Grünen haben entschieden: Sie werden Koalitionsverhandlungen mit der Volkspartei aufnehmen. Ob das auch die ÖVP will, wird heute Parteichef Sebastian Kurz sagen – um 10.00 Uhr ist ein Statement geplant. Alles deutet auf ein Ja hin, schließlich wurde bis zum Schluss sondiert.
Mehr als vier Stunden tagte der Erweiterte Bundesvorstand, das zweithöchste Gremium der Grünen gestern in der Wiener Urania. Anwesend waren 27 stimmberechtigte Mitglieder, zwei – Monika Vana und Laura Köck – ließen sich entschuldigen. Das Ergebnis wollte danach keines der Mitglieder des Gremiums verkünden, das sei Chefsache. Der Chef trat etwas verspätet vor die Presse und tat kund, was erwartet worden war.
Dass die Ökopartei Gespräche zur Bildung einer Regierung aufnehmen möchte, sei einstimmig beschlossen worden, sagt Kogler. Er und das Sondierungsteam hätten dies dem erweiterten Gremium empfohlen. Kogler holt nun etwas weiter aus: Die Grünen seien erst vor zwei Jahren aus dem Nationalrat geflogen: „Wir haben eine lange Reise hinter uns. Es ist ein Wagnis, aber wir wollen diesen Schritt wagen. Es ist Pionierarbeit. Wir haben diese Sondierungen mitverursacht und wir haben sie ernst genommen“, sagt Kogler, „obwohl gewisse Gräben aufgerissen wurden im Wahlkampf, auch schon seit der Bundespräsidentenwahl.“ Doch: „Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, diese Gräben zu überwinden. Unsere Hand ist ausgestreckt. Wie das ausgeht, wissen wir nicht.“
Kogler macht aber auch klar, dass seine Partei nicht zögern würde, vom Tisch aufzustehen, wenn es Versuche geben würde, schwarz-blaue Politik mit grünem Mascherl zu machen. Dies sei 2003 so gewesen – und er sei dabeigewesen. Gleichzeitig betont Kogler, dass eine allfällige Zusammenarbeit viele Kompromisse erfordern werde. Diese dürften dann nicht denunziert werden.
Kogler spricht auch über Herausforderungen in den Koalitionsverhandlungen. Zum Thema Klima sagt er: „Wir müssen das Ruder herumreißen.“ Österreich könnte zu einem der Vorreiter im Klimaschutz werden. Man wolle Ökonomie und Ökologie unter einen Hut bringen. Zudem könnten Schritte gegen die Kinderarmut auf den Weg gebracht werden. Und: „Die Tür ist offen für ein Informationsfreiheitsgesetz.“ Auch die Gleichstellung der Geschlechter wollen die Grünen vorantreiben. „Überall sehen wir eine Chance“, sagt Kogler, sonst hätte man keine Empfehlung für Koalitionsverhandlungen abgegeben. Die Alternative dazu sei ÖVP-FPÖ, diese sei noch immer möglich, befindet der Grünen-Chef. „Auch deshalb wollen wir diesen Weg gehen.“
Es mache einen Unterschied, ob eine Mitte-rechts-Partei (wie die ÖVP) mit einer rechtsrechten Partei (wie der FPÖ) oder mit den Grünen koaliere. Zweiterer Fall würde ein ganz anderes Bild Österreichs auch in Europa ergeben. Mit den Grünen würde auch eine pro-europäische Orientierung hierzulande sichergestellt. „Mit dieser Möglichkeit sollten wir alle Wege suchen und Lösungen finden.“
Dass Verhandlungen noch immer besser als keine seien, das betonte Tirols Grün-LHStv. Ingrid Felipe. Der Sondierungsbericht habe klar gezeigt, dass „Aussicht auf einen gemeinsamen Weg mit der ÖVP besteht“. Angst davor, Kompromisse zu schließen, dürften die Grünen nicht haben, verweist Felipe auch auf Schwarz-Grün in Tirol: „Auch wir haben darauf geschaut, Interessen auszugleichen.“ Teil des Verhandlungsteams werde sie sein, sagt Felipe, „in irgendeiner Form“. Ob die Tiroler Grünen ein Regierungsamt bekämen? Zuerst der Inhalt, dann die Auswahl kompetenter Personen, sagt Felipe, die aber mit Blick Richtung bisherige ÖVP-Usancen festhält: „Wir werden das nicht nach Bundesländern aufteilen.“
Auch Grünen-Klubobmann Gebi Mair will „die Chance auf eine politische Innovation“ nutzen: „Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren.“
Der Tiroler NR-Abgeordnete Hermann Weratschnig warnt aber davor, dass über den nun anstehenden Verhandlungen ständig das Damoklesschwert einer Neuauflage von Türkis-Blau stehen könnte: „Diese Verantwortung liegt nicht nur bei uns Grünen, sondern auch bei der ÖVP.“ Ins Verhandlungsteam ruft Weratschnig sämtliche grüne Landesspitzen – in Oppositions- wie Regierungsfunktion. Sollten Stolpersteine auftauchen, warnt Weratschnig vor so genannten „koalitionsfreien Räumen“: „Die sind für eine Stabilität nicht sinnvoll.“ Gleichzeitig dürfe es aber auch nicht nur um die „Frage des kleinsten gemeinsamen Nenners gehen“.
Ein Verhandlungsteam der Grünen dürfte es erst am morgigen Dienstag geben. Wie lange die Verhandlungen dauern, will Kogler nicht sagen. So kurz wie möglich, aber so lange wie notwendig würden die Gespräche dauern. Denn die Verhandlungen hätten einen offenen Ausgang, man arbeite jedoch auf einen erfolgreichen Abschluss hin: „Das kann seine Zeit brauchen.“ (sas, mami)