Hongkong versinkt immer mehr in Gewalt

Hongkong kommt nicht zur Ruhe. Nach schweren nächtlichen Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstranten kam es auch am Montag erneut zu Unruhen. Die Polizei ging mit Tränengas und Schlagstöcken gegen Kundgebungsteilnehmer vor. Radikale Aktivisten hatten im Stadtviertel Tsim Sha Tsui in Kowloon neue Straßenbarrikaden gebaut und mit Steinen geworfen. Es gab wieder Festnahmen.

Hunderte Studenten verschanzten sich nach Angaben des öffentlichen Rundfunks RTHK mit Brandsätzen und selbst gebauten Waffen weiter in der Polytechnischen Universität, wo es in der Nacht zu schweren Auseinandersetzungen gekommen war. Nach Vermittlungsbemühungen der Hochschulleitung hätten rund 70 bis 100 Studenten versucht, die Universität zu verlassen, seien aber wieder in das Gebäude geflüchtet, weil die Polizei Tränengas gegen sie eingesetzt habe, berichtete die Studentenvereinigung.

Die Polizei errichtete Absperrungen rund um den Komplex und schlug mehrere Ausbruchsversuche mit Gummigeschoßen und Tränengas zurück. Einige Demonstranten wurden von Beamten zu Boden gerissen und mit vorgehaltener Waffe festgenommen.

Auch aus anderen Teilen der ehemaligen britischen Kolonie wurde neue Gewalt gemeldet. Im Geschäftsbezirk Nathan Road kam es zu Zusammenstößen, Läden blieben geschlossen. Dem Sender RTHK zufolge wurden zahlreiche Personen in der Nähe der Universität festgenommen. Die Polizei feuerte nach eigener Darstellung drei Warnschüsse mit scharfer Munition ab, als sie bei der versuchten Festnahme einer Frau angegriffen worden sei. Die Frau sei entkommen. Einige Demonstranten zogen sich nach Zusammenstößen bis auf die Unterwäsche aus, nachdem sie von einem Wasserwerfer durchnässt worden waren, dessen Wasser Augenzeugen zufolge ein Reizmittel enthielt.

In einer überraschenden Wende verwarf unterdessen ein Gericht in Hongkong das derzeitige Vermummungsverbot als verfassungswidrig. Das Anfang Oktober in einem Rückgriff auf koloniales Notstandsrecht verhängte Verbot von Maskierungen verstoße gegen das Grundgesetz der chinesischen Sonderverwaltungsregion, befand das Gericht. Die Beschränkungen der Persönlichkeitsrechte gingen weiter als notwendig.

Die Proteste lähmen zunehmend auch das Alltagsleben und die Wirtschaft Hongkongs. Immer mehr asiatische Fluggesellschaften streichen ihre Flüge dorthin.

Seit Juni demonstrieren immer wieder Zehntausende Menschen für Demokratie und gegen die Regierung der chinesischen Sonderverwaltungszone, der sie zu große Nähe zur Führung in Peking vorwerfen. Die anfangs friedlichen Proteste schlagen immer mehr in Gewalt um. Zuletzt wurde ein Beamter mit einem Pfeil verletzt. Der Bürgerrechtler Joshua Wong verteidigte das gewaltsame Vorgehen der Demonstranten. „Mit rein friedlichem Protest werden wir unser Ziel nicht erreichen“, sagte Wong der „Süddeutschen Zeitung“. „Allein mit Gewalt allerdings auch nicht. Wir brauchen beides.“