Internationale Pressestimmen

„Hongkong brennt“: Presse zu neuer Eskalation der Proteste

Studenten vor dem Universitätsgelände.
© AFP

Hunderte Demokratie-Aktivisten wurden von Sicherheitskräften in Hongkong in einer Universität eingekesselt. Die neue Eskalation der Gewalt in Hongkong beschäftigt die internationalen Medien.

Hongkong – Brennende Barrikaden, Steine, Pfeile, Tränengas, Schüsse: In Hongkong scheint die Lage zunehmend außer Kontrolle zu geraten. Die Polizei kesselte am Montag hunderte Demokratie-Aktivisten in der Hochschule ein. Mit Tränengas und Schlagstöcken gingen Polizisten gegen Demonstranten vor, die versuchten, vom Campus zu fliehen. Dutzende Aktivisten wurden festgenommen.

Die internationale Presse kommentierte die neue Eskalation am Dienstag:

Guardian (London):

„Hongkong brennt. Und die Behörden gießen Öl ins Feuer. Das Sprachrohr der Kommunistischen Partei Chinas, die ‚People‘s Daily‘, warnte am Montag, es gebe ‚keinerlei Raum für Kompromisse‘. Peking und die Behörden in Hongkong geben nicht nur nicht nach, sondern eskalieren die Krise sogar noch. (...) Seit Peking 1989 die Pro-Reform-Proteste niederschlug, die auf dem Tiananmen-Platz begannen, und Zeuge des Anfangs vom Ende der Sowjetunion wurde, hat es beschlossen, blutige Unterdrückung zwar möglichst zu vermeiden – aber nicht durch das Angebot von Zugeständnissen.

Peking wird jede Kritik wie die von Großbritannien ärgerlich zurückweisen. Doch ausländische Spitzenpolitiker haben eine Pflicht, China daran zu erinnern, dass es beobachtet wird, auch wenn sie ignoriert werden.“

La Repubblica (Rom):

„Seit sechs Monaten verfolgt die Welt den Aufstand in Hongkong mit großer Sorge. Es gibt die Befürchtung, dass er von einem Tag auf den anderen durch ein Blutbad gelöscht werden könnte, wenn Xi Jinping beschließt, die chinesische Armee auf die Straße zu schicken. (...) Hongkong hat ein viel geringeres Gewicht als der chinesische Drache. Die Entsendung der Armee wäre sehr schlechte Öffentlichkeitsarbeit zu einer Zeit, in der China ein beruhigendes Bild von sich vermitteln will: ein gutes Imperium, das auf sanfte Macht baut und in der Lage ist, mit der neuen Seidenstraße ein Angebot von gegenseitigem Nutzen anzubieten. Es ist daher reines Kalkül, dass Xi den Einsatz militärischer Gewalt bisher vermieden hat. (...) Das kann sich aber ändern. Und Xi müsste sich nicht vor seinen eigenen Leuten rechtfertigen.“

Hospodarske noviny (Prag):

„Die Lage in Hongkong eskaliert weiter. Zu einem neuen Schauplatz der Auseinandersetzungen sind dieser Tage die Universitätscampusse geworden. Aus chinesischen Medien ist zu hören, dass die jungen Hongkonger mit dem ‚kolonialen Gedankengut‘ aus der Zeit der britischen Oberherrschaft infiziert seien. Zu den Symptomen dieser ‚Ansteckung‘ wird offenbar auch der Glaube an Werte wie Demokratie, Rechtsstaat und Zivilgesellschaft gerechnet, die auf dem chinesischen Festland erfolgreich ausgemerzt wurden. Auch wenn die jetzigen Proteste am Ende doch niedergeschlagen werden sollten, werden die Universitäten ein Kampffeld bleiben, auf dem freies Denken und Indoktrination aufeinanderstoßen.“

La Charente Libre (Angoulême):

„Es gibt einige Wörter, die nicht leichtfertig ausgesprochen werden (...). Zum Beispiel ‚Kultureller Völkermord‘: Diese geschieht an der muslimische Minderheit der Uiguren im Westen Chinas. Viele Nichtregierungsorganisationen hatten bereits erklärt, was mindestens einer Million Menschen geschah, die in ‚Entradikalisierungslagern‘ mit jeweils mindestens 20 000 Gefangenen festgehalten wurden. Die ‚New York Times‘ bestätigt dies, nachdem sie 400 Seiten interne Dokumente der chinesischen Regierung gefunden hat. Was ist da geschrieben, abgesehen von den internen Anweisungen (Präsident) Xi Jinpings, ‚gnadenlos‘ zu sein? Dass China unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung beschlossen hat, eine ganze Bevölkerung durch Konzentrationslager auf Linie zu bringen (...), indem es sie zwingt, auf ihre Religion oder Kultur zu verzichten.“

Aftonbladet (Stockholm):

„Peking und die Führung in Hongkong müssen begreifen, dass Demokratie der einzige Weg voran ist. In der Praxis hat die Parole ‚Ein Land – zwei Systeme‘ mehr demokratische Freiheiten für die Einwohner Hongkongs bedeutet als für diejenigen auf dem chinesischen Festland. Genau das ist jetzt in Gefahr. Wird die Demokratie aber ausgebaut und eine allgemeine Wahl eingeführt, kann auf Hongkongs Straßen wieder Ruhe herrschen. Die Alternative wäre, die Situation weiter eskalieren zu lassen und die Demonstranten zu zerschlagen – etwas, das China wohl kaum bei seiner Ambition helfen würde, die nächste globale Supermacht nach den USA zu werden. Die Lösung der Situation in Hongkong sind freie Wahlen. Keine weitere Gewalt.“

De Tijd (Brüssel):

„Die Demonstrationen werden immer militanter und gewalttätiger, die Antwort der Ordnungsdienste wird immer repressiver. Das Leben in der Millionenstadt ist völlig durcheinander geraten. In den 22 Jahren, die Hongkong zu China gehört, gab es keinen derart großen Aufstand. Die Frage ist, ob die Proteste überhaupt eine Chance auf Erfolg haben. Die zunehmende Gewalt verschafft China Argumente, um demnächst einzugreifen. (...) Für Chinas Staatschef Xi Jinping ist die Unruhe in Hongkong die größte Herausforderung seiner Amtszeit. Xi duldet keine Widerrede und er dürfte alles tun, um sie zu beenden. Für die Chinesen ist Hongkong eine innere Angelegenheit, ob es nun eine britische Vergangenheit hat oder nicht.“

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