Hongkongs Lam fordert Demonstranten zur Aufgabe auf

In Hongkong spitzt sich die Lage vor der von Demonstranten besetzten Hochschule weiter zu: Rund 100 Aktivisten der Demokratiebewegung harrten am Dienstag weiter in der von Sicherheitskräften eingekesselten Polytechnischen Universität aus. Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam forderte die Demonstranten auf, sich zu ergeben, um die dreitägige Besetzung des Geländes friedlich zu beenden.

Die Volksrepublik China bekräftigte inzwischen ihren Anspruch auf die alleinige Entscheidungsgewalt über Hongkongs Verfassung. Peking zeigte unterdessen Hongkong erneut in drastischer Weise seine Sicht der Dinge auf und erklärte in Person von Parlamentssprecher Zang Tiewei, der chinesische Volkskongress sei die einzige Institution, die Entscheidungen über die Verfassung der Sonderverwaltungszone treffen könne.

Hintergrund ist das Urteil des Obersten Gerichts in Hongkong, das das von der Hongkonger Regierung verhängte Vermummungsverbot am Montag aufgehoben hatte. Zang betonte, nur der Nationale Volkskongress habe das Recht, darüber zu entscheiden, ob ein Gesetz mit der Verfassung Hongkongs übereinstimme. Das Urteil habe Lam und die Hongkonger Stadtregierung „stark geschwächt“.

In ihrer ersten öffentlichen Erklärung zur Besetzung der Polytechnischen Universität sagte Lam am Dienstag auf einer Pressekonferenz, dass die „Demonstranten, einschließlich natürlich der Randalierer, die Gewalt stoppen, die Waffen abgeben und friedlich herauskommen und die Anweisungen der Polizei entgegennehmen müssen“. Demonstranten hatten sich am Wochenende in der Universität auf der Halbinsel Kowloon verschanzt. Mit Pfeil und Bogen, Molotowcocktails und Steinschleudern versuchten sie Polizisten abzuwehren.

In der Nacht auf Montag legten sie Feuer am Haupteingang, um ein Eindringen der Sicherheitskräfte zu verhindern. Schließlich versuchten Demonstranten, die Polizeiabsperrungen rund um die Universität zu durchbrechen und zu fliehen, wurden jedoch zunächst mit Tränengas zurückgedrängt. Die Beamten nahmen dutzende Menschen fest, teilweise schlugen sie mit Schlagstöcken auf die am Boden liegenden Demonstranten ein.

Am Montagabend gelang Dutzenden Demonstranten dennoch die Flucht. Wie auf Videoaufnahmen der Nachrichtenagentur AFP zu sehen war, seilten sie sich von einer Fußgängerbrücke auf eine Autobahn ab, wo sie von wartenden Motorradfahrern abgeholt wurden.

Am Dienstag versammelten sich Verwandte einiger der immer noch in der Hochschule verschanzten Demonstranten zu einer Mahnwache vor der Universität. Eine Frau, die ihren Namen als Cheung angab, sagte, dass sie die vergangene Nacht in einem Park in der Nähe einer Polizeiabsperrung verbracht habe. Sie warte auf eine Nachricht ihres erwachsenen Sohnes, der als Ersthelfer auf den Campus gekommen sei. „Er hat Angst. Er hat Angst davor, von der Polizei festgenommen zu werden“, sagte Cheung.

Wegen der Einstellung des Lehrbetriebs in Hongkong befinden sich wohl nur noch wenige der etwa 70 österreichischen Studenten in der chinesischen Sonderverwaltungszone. „Die meisten dürften Hongkong verlassen haben“, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Peter Guschelbauer, auf APA-Anfrage. Der Generalkonsul in Hongkong sei mit den Studenten in Kontakt und berate sie. Die Studenten dürften entweder nach Österreich zurückgeflogen sein oder in der Region reisen, weil sie derzeit ihr Studium nicht fortsetzen können. Bedarf an einer Evakuierungsaktion gebe es keinen, weil der Flughafen von Hongkong offen sei und Rückflugmöglichkeiten bestehen.

Zuvor war bekannt geworden, dass Serbien zehn Studenten der Polytechnischen Universität in Hongkong zurückgeholt hat. Die britische University of Warwick rief alle ihre Austauschstudenten auf, die frühere britische Kronkolonie „aus Gründen der persönlichen Sicherheit“ zu verlassen. Das Außenministerium sieht in seinen Reisehinweisen für Hongkong ein erhöhtes Sicherheitsrisiko und empfiehlt, „sich von Demonstrationen und Straßenkämpfen fern zu halten und den Anordnungen der Sicherheitskräfte unbedingt Folge zu leisten“.