Skipisten nur mit Widmung, Riegel für Deponie-Boom
Die Landesumweltanwaltschaft hält der Landesregierung den Spiegel vor: Schwarz-Grün sei bei Eindämmung des Flächenverbrauchs säumig.
Von Manfred Mitterwachauer
Innsbruck –Im Schnitt wurde 2018 in Tirol pro Tag mehr als ein Hektar an Naturfläche verbaut. Über die vergangenen zehn Jahre lag der Flächenverbrauch bei gut 4000 Hektar. Darauf hätte die gesamte Stadt Kufstein Platz. Es waren Zahlen wie diese, mit denen die Landesumweltanwaltschaft gestern – anlässlich der Präsentation des Tätigkeitsberichtes 2017/18 – die Alarmglocken läutete. Allein in den letzten beiden Jahren wurden in Summe 76 Hektar neuer Skipisten im Land behördlich durchgewunken. Das widerspreche klar den Unkenrufen aus der Seilbahnwirtschaft, es finde kein Ausbau mehr statt. Und auch der Sommertourismus nahm immerhin 153 Hektar für sich in Anspruch, um Singletrails, Erlebniswege oder Golfflächen umsetzen zu können. Zum Vergleich: Der Flächenverbrauch durch Gebäude nahm im selben Zeitraum ein Ausmaß von knapp 43 Hektar an. Der landwirtschaftliche Wegebau schlug mit 46 Hektar, der forstwirtschaftliche Wegebau mit knapp 97 Hektar zu Buche.
Auch weitere Zahlen dürften nachdenklich stimmen. Jede Woche werde derzeit – statistisch gesehen – im Land eine Deponiebewilligung ausgesprochen. Seit dem Jahr 2008 seien 444 Hektar an neuer Deponiefläche entstanden – 620 Fußballfelder groß.
Gegensteuern, das sei das oberste Gebot der Stunde, um dem ungebremsten Natur-Flächenverbrauch Einhalt zu gebieten, rief Kostenzer der Landesregierung deshalb gestern in Erinnerung. Das bis dato praktizierte Tiroler Modell, den Naturschutz in erster Linie in den Schutzgebieten umzusetzen, funktioniere nicht länger. Auch weil es zuletzt immer öfter Ausnahmen gegeben habe. Kostenzer verlangt deshalb „klare Grenzen“ und eine Ausdehnung der Schutzfunktion. Kostenzer forderte denn auch die Wiedereinführung einer „Flächenwidmungspflicht für Skigebiete“. Aus Sicht der Raumordnungsabteilung im Landhaus ist dieser Wunsch neu. Es gebe „keine Veranlassung“ für solch einen Schritt, da das Tiroler Seilbahn- und Skigebietsprogramm einen klaren überörtlichen Rechtsrahmen vorgebe. Die Widmungspflicht sei nicht ohne Grund abgeschafft worden.
Sehr schön sei die Dramatik der Lage – neben dem jüngsten Dauer-Aufreger Gletscherehe Pitztal/Ötztal (siehe Seite 3) – anhand der Deponien ablesbar, hieß es gestern von der Umweltanwaltschaft (LUA). Ähnlich, wie vor Jahren vom Land ein Rohstoffbeirat eingerichtet worden sei, um den Abbau in ein engeres Korsett zu drängen, so bedürfe es auch hinsichtlich der Deponien dringendst eines landesweiten Raumordnungskonzeptes samt verpflichtender Bedarfsprüfung. Das Argument der „kurzen Wege“, um Bauschutt und Bodenaushub zu deponieren, sei mit Blick auf die oftmals in beträchtlichem Ausmaß beantragten Kubaturen zu hinterfragen, sagt Tschon. Ebenso die Rolle der Gemeinden. Nicht selten würden sie an solchen – von Anrainern bekämpften – Deponien mitverdienen.
Viel Vertrauen hat die LUA indes in die Verwaltungsgerichte als Berufungsinstanzen. 2017/18 seien „zwei Drittel der Entscheidungen zugunsten der Natur ausgefallen“, sagt Tschon.