Europa

EVP-Kongress: Die konservative Familie macht auf grün

Gewichtige Stimmen in der EVP: Donald Tusk, Sebastian Kurz.
© AFP

Beim EVP-Kongress in Zagreb wird Donald Tusk zum neuen Chef gekürt und eine Nachhaltigkeitsresolution verabschiedet.

Von Carmen Baumgartner-Pötz

Zagreb – Innerhalb eines Jahres kann in einer Familie viel passieren. Das ist auch in der größten europäischen Parteienfamilie, der Europäischen Volkspartei (EVP) nicht anders: Beim EVP-Kongress vergangenen November in Helsinki wurde ein gewisser Manfred Weber (CSU) zum Spitzenkandidaten für die anstehende EU-Wahl gekürt und der scheidende EU-Ratspräsident Donald Tusk (polnische Bürgerplattform, PO) ging – vor den versammelten Parteichefs – mit Fidesz-Vorsitzendem Viktor Orban hart ins Gericht.

Heute und morgen ist wieder Familientreffen angesagt, diesmal in Zagreb. Ungarns Premier Orban wird die Harmonie nicht stören: Die Mitgliedschaft seiner Fidesz ist seit dem Frühjahr suspendiert, der Bericht des Weisenrats (Herman Van Rompuy, Hans-Gert Pöttering, Wolfgang Schüssel) liegt aber noch nicht vor. Nach der EU-Wahl im Mai, bei der die EVP trotz deutlichen Verlusten stärkste Partei blieb, wurde Weber bekanntlich doch nicht EU-Kommissionspräsident. Er darf sich dafür heute Abend in Zagreb – wie alle rund 2000 Delegierten – unter anderem die Rede von Ursula von der Leyen anhören.

Donald Tusk hingegen ist der Mann der Stunde bzw. der nächsten Jahre: Als einziger Kandidat für den Vorsitz der EVP wird er heute Nachmittag als Nachfolger des Franzosen Joseph Daul gewählt. Er kann mit hoher Unterstützung rechnen, auch von den 23 österreichischen (von insgesamt 707 stimmberechtigten) Delegierten. Aus Österreich tritt EU-Kommissar Johannes Hahn wieder als einer von zehn Vizepräsidenten der EVP zur Wahl an.

Tusk gilt als einer, der sich kein Blatt vor den Mund nimmt. Er war einer der wenigen EU-Spitzenpolitiker, der den Brexit nicht nur immer wieder bedauert, sondern auch immer Hoffnung geäußert hat, die Briten könnten sich doch zum Verbleib in der Union rückbesinnen. Auch seine Worte gegenüber Viktor Orban vergangenen November waren deutlicher, als die manch anderer Konservativer: „Wenn Du gegen Rechtsstaat und unabhängige Justiz bist, dann bist Du kein Christdemokrat“, kanzelte er den Ungarn ab.

Morgen soll in Zagreb eine Resolution mit dem Titel „Vision der EVP für einen nachhaltigen Planeten“ angenommen werden – an der Klimapolitik kommen die Konservativen nicht vorbei. Übertreiben will man es aber nicht: Wie es in einem im Vorfeld präsentierten Papier heißt, soll statt „starrer Ziele und Überregulierung“ auf die Schaffenskraft von Unternehmern und Forschern gesetzt werden. „Die Konsumenten und der Markt werden bestimmen, welche Lösungen machbar sind.“ Die EVP wirbt außerdem für eine noch nicht marktreife Lösung, die Wasserstofftechnologie. ÖVP-Chef Sebastian Kurz rührt dafür ja bereits seit Monaten die Werbetrommel. Er steht beim Kongress durch die Koalitionsverhandlungen mit den Grünen dieses Mal unter besonderer Beobachtung durch seine konservativen Parteifreunde. Kurz’ Rede ist ebenfalls für morgen angesetzt. Er will in Zagreb nicht nur über seine Vorstellungen für Europa sprechen, sondern auch die Gelegenheit zu vielen bilaterale Gesprächen nützen.

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