Deutschland

Weizsäcker-Sohn in Klinik erstochen: Verdächtiger war psychisch krank

Fritz von Weizsäcker (2.v.l.) beim Staatsakt für seinen gestorbenen Vater, den früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker.
© dpa

Der Berliner Arzt Fritz von Weizsäcker hält einen Vortrag in einer Klinik, als ein Mann mit einem Messer auf ihn losgeht. Der Sohn des früheren Bundespräsidenten stirbt. Die Polizei hat nun Angaben zum Verdächtigen gemacht.

Berlin — In einer Berliner Privatklinik ist der Chefarzt Fritz von Weizsäcker, Sohn des früheren deutschen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, während eines Vortrags am Dienstagabend erstochen worden. Laut Polizei wurde er um kurz vor 19 Uhr plötzlich von einem Mann angegriffen. Zu dem Vortrag waren etwa 20 Zuschauer gekommen. Ein Mann aus dem Zuschauerraum — es soll sich um einen Polizisten gehandelt haben, der privat dort war — soll dazwischen gegangen und dabei selbst schwer verletzt worden sein. Der 59-jährige von Weizsäcker starb noch vor Ort. Der mutmaßliche Täter wurde festgenommen.

Der Messerangriff soll von einem 57-Jährigen verübt worden sein. Das teilte die Polizei am Mittwochmorgen auf Anfrage mit. Der Verdächtige sei vorher nicht polizeibekannt gewesen. Der Deutsche sollte noch am Mittwoch einem Haftrichter vorgeführt werden und in der Nacht verhört werden.

Der Tatverdächtige wurde noch an Ort und Stelle festgenommen. Eine Mordkommission hat die Ermittlungen übernommen. Die Polizei ermittelt laut der Sprecherin in alle Richtungen. Beamte sollen demnach auch die Familie von Weizsäckers dazu befragen, ob es Bedrohungen gegeben haben könnte.

Die Ermittler bestätigten einen Bericht der Bild-Zeitung (Online), nach dem der Verdächtige im Wahn gehandelt haben soll. Wie die Generalstaatsanwaltschaft Berlin am Mittwoch mitteilte, will sie nach einer psychiatrischen Untersuchung des 57-jährigen dessen Unterbringung beantragen.

Laut Bild soll seine Wohnung durchsucht, aber nichts Auffälliges gefunden worden sein.

Polizist wollte helfen und wurde schwer verletzt

Ein Mann aus dem Zuschauerraum soll am Dienstagabend beim Dazwischengehen schwer verletzt worden sein. Mehrere von den etwa 20 Menschen im Publikum halfen laut Polizei, den Täter festzuhalten.

Laut Website gibt es in der Privatklinik regelmäßig Veranstaltungen, die sich in der Regel an interessierte medizinische Laien wenden. Für Dienstagabend war von Weizsäckers Vortrag zum Thema Fettleber angesetzt („Fettleber — (K)ein Grund zur Sorge?").

Von Weizsäcker hatte eine lange Karriere als Mediziner hinter sich. Nach Stationen in Freiburg, Boston und Zürich war er seit 2005 Chefarzt der Abteilung Innere Medizin I an der Schlosspark-Klinik. Von Weizsäckers Vater Richard von Weizsäcker (1920-2015) war von 1984 bis 1994 Bundespräsident der Bundesrepublik, zuvor Regierender Bürgermeister von Berlin.

Deutsche Regierung ist entsetzt

Die deutsche Regierung hat bestürzt auf die Tötung reagiert. Dies sei "ein entsetzlicher Schlag für die Familie von Weizsäcker", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. "Die Anteilnahme der Bundeskanzlern und der Mitglieder der Bundesregierung insgesamt geht an die Witwe und die ganze Familie."

Auch ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte, der tödliche Messerangriff auf von Weizsäcker sei "mit Entsetzen" zur Kenntnis genommen worden. Zu möglichen Schutzmaßnahmen für Angehörige früherer Bundespräsidenten wollte er auf Nachfrage keine Angaben machen. Nach Informationen der "Bild"-Zeitung (Online) soll der Verdächtige aus Rheinland-Pfalz kommen. Seine Wohnung sei durchsucht, aber nichts Auffälliges gefunden worden. Das Blatt berichtete auch, der Mann sei "psychisch auffällig". Es sei unklar, ob eigene Angaben zu seinem Motiv zutreffend seien. Die Polizei wollte sich zu Details zunächst nicht äußern. (APA/dpa/TT.com)

Fritz von Weizsäcker stand in Tradition der Familiendynastie

Fritz von Weizsäcker war Chefarzt in der Schlosspark-Klinik in Berlin. Als Arzt mit großer Karriere stand er fest in der Tradition der Familie von Weizsäcker, die seit vielen Jahrzehnten für bedeutende deutsche Politiker und Wissenschafter steht:

RICHARD von Weizsäcker war der Vater des Getöteten, als sechster deutscher Bundespräsident ist er auch zugleich der bekannteste Vertreter der Familie. Der 2015 mit 94 Jahren gestorbene Freiherr war Anfang der 80er Jahre zudem Regierender Bürgermeister von Berlin.

Richard und seine Frau Marianne hatten vier Kinder. FRITZ wurde Mediziner, der 2008 verstorbene ANDREAS war Bildhauer und Professor. ROBERT KLAUS ist Professor für Volkswirtschaftslehre, die einzige Tochter BEATRICE ist promovierte Juristin, Journalistin und als Buchautorin bekannt.

Ein ähnlich bekannter Familienspross wie Richard war CARL FRIEDRICH von Weizsäcker. Dieser war als Physiker im Zweiten Weltkrieg an der Entwicklung einer am Ende nie fertiggestellten deutschen Atombombe beteiligt, später baute das auch als Philosoph lehrende Universalgenie ein Friedensforschungsinstitut auf.

Carl Friedrich von Weizsäcker kokettierte einmal damit, dass die Vorfahren der Familie nur "einfache Müllersleute" gewesen seien - der Name leite sich schließlich von Menschen ab, die Weizensäcke schleppten. Tatsächlich aber zählten die Weizsäckers mit bedeutenden Vertretern in Wissenschaft und Politik schon seit dem 19. Jahrhundert zu den Vordenkern in Deutschland.

1916 wurde die Familie in den Adelsstand erhoben. Anlass für diese Würdigung war das Wirken von CARL von Weizsäcker als königlich-württembergischer Ministerpräsident. Carl war Großvater des späteren Bundespräsidenten Richard, dessen Vater hieß ERNST HEINRICH.

Ernst Heinrich von Weizsäcker gehört wegen seiner Karriere im Nationalsozialismus zu den umstrittensten Persönlichkeiten der Familie. Er begann schon in der Weimarer Republik eine Karriere als Diplomat und wurde unter Adolf Hitler Staatssekretär im Auswärtigen Amt. Von diesem Posten trat er 1943 zurück. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er als Kriegsverbrecher verurteilt, kam aber bald wieder frei.

Die Liste von Mitgliedern der Familie von Weizsäcker in hervorgehobenen Positionen ist aber noch deutlich länger. Auch der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und Umweltwissenschaftler Ernst Ulrich Michael, Sohn von Carl Friedrich, gehört dazu. Oder Carl Friedrichs Tochter Elisabeth Raiser die Historikerin war Präsidentin des ersten Ökumenischen Kirchentags 2003 in Berlin.

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