Weltpolitik

NATO kämpft gegen den Zerfall: Interne Konflikte deutlich verschärft

US-Panzer bei der Ankunft in Litauen. Vor allem die Osteuropäer setzen weiterhin auf den Schutz durch die Supermacht.
© AFP

70 Jahre nach der Gründung des Verteidigungsbündnisses ist den mittlerweile 29 Mitgliedern nicht nach Feiern zumute. Trump, Erdogan und Macron verschärfen die internen Konflikte im Militärbündnis.

Von Floo Weißmann

Brüssel –Die Außenminister der NATO-Staaten sind gestern in Brüssel zusammengekommen, um den Jubiläumsgipfel in London Anfang Dezember vorzubereiten. Doch 70 Jahre nach der Gründung des westlichen Verteidigungsbündnisses ist den mittlerweile 29 Mitgliedern nicht nach Feiern zumute. Die internen Konflikte haben sich in den vergangenen Wochen deutlich verschärft.

Die offiziellen Programmpunkte haben sich schon länger abgezeichnet. Die NATO wird den Weltraum zum fünften Einsatzgebiet erklären (neben Boden, Luft, See und Cyberspace). Sie wird über den Umgang mit Russland und China diskutieren, über Terrorismusabwehr, höhere Verteidigungsausgaben und Zukunftstechnologien.

Doch die Angst ist groß, dass der Jubiläumsgipfel von Streit und Sinnkrise überschattet wird. Drei selbstherrliche Präsidenten haben erst vor Kurzem die Bündnispartner vor den Kopf gestoßen.

US-Präsident Donald Trump, der die NATO schon einmal für obsolet erklärt hatte, befahl ohne Absprache mit den Partnern den Abzug aus Syrien. Daraufhin ließ der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan gegen die Warnungen der Bündnispartner die syrischen Kurden angreifen, die bis dahin als Waffenbrüder des Westens gegolten hatten. Eben jener Erdogan, der zuvor schon den Zorn der NATO-Partner auf sich gezogen hatte, weil er das neue Luftabwehrsystem der Türkei in Russland bestellte. Die Türkei darf nun aus Sicherheitsgründen nicht mehr am neuen Kampfjet-Programm der NATO teilnehmen.

Nach diesen eigenmächtigen Aktionen zweier NATO-Partner erklärte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron das Bündnis für „hirntot“. Er will nun die eigene europäische Verteidigung stärker ausbauen. Das aber missfällt der amerikanischen Rüstungsindustrie, den überzeugten Transatlantikern in London und Berlin sowie den Osteuropäern, die bei der Abschreckung Russlands weiterhin lieber auf die USA setzen.

Die Aufregung über die drei Präsidenten hat sogar den Dauerstreit über das Bekenntnis zum Bündnis in den Schatten gestellt. Die Trump-Administration wirft den Europäern – vor allem Deutschland – vor, sicherheitspolitisch auf Kosten der Amerikaner zu leben. Und die Europäer werfen der Trump-Administration vor, nur noch im Eigeninteresse zu handeln und sicherheitspolitisch wichtige Abkommen zu stornieren – vor allem den Atomdeal mit dem Iran und den INF-Vertrag zur Rüstungskontrolle.

Und als wäre das noch nicht genug, droht der Austritt Großbritanniens aus der EU einen Keil zwischen Briten und Kontinentaleuropäer zu treiben – unter lautem Beifall von Brexit-Fan Trump.

Um die NATO vor dem Zerfall zu retten, hat nun der deutsche Außenminister Heiko Maas vorgeschlagen, eine Expertenkommission einzusetzen, die das Bündnis weiterentwickeln soll. Auch Frankreich hat Reformvorschläge angekündigt. Offen bleibt, ob auch Trump und Erdogan dabei mitspielen.

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