Gewalt gegen Frauen: Vor allem Beziehungstaten
Jede fünfte Frau wird in Österreich im Laufe ihres Lebens einmal Opfer von Gewalt. Die Aktion „16 Tage gegen Gewalt gegen Frauen“ macht ab Montag auf das Thema aufmerksam.
Von Brigitte Warenski
Innsbruck — Frauen wird zu Hause, am Arbeitsplatz, in der Öffentlichkeit und im Internet Gewalt angetan. Wie oft Frauen Opfer sind, zeigt eine Erhebung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte. Demnach hat jede fünfte Österreicherin seit ihrem 15. Lebensjahr mindestens einmal in ihrem Leben eine körperliche und/oder sexuelle Gewalterfahrung erlebt. Vergangenes Jahr haben in Österreich 41 Frauen durch Gewalt ihr Leben verloren.
Dazu kommen die Fälle psychischer Gewalt „wie Drohungen, Beschimpfungen, Demütigungen. Das sind Formen von Gewalt mit massiven Langzeitfolgen, die dazu oft in körperliche Gewalt übergehen", sagt Katja Tersch vom Landeskriminalamt Tirol. Laut Statistik des „Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser" wurden 92 Prozent der Frauen Opfer von häuslicher Gewalt, Täter sind Ehemänner oder Ex-Partner. „Gewalt hat mit Emotionen zu tun und die reichen von Liebe bis Hass und da kann leider eines ins andere umschlagen", erklärt Tersch.
In der internationalen Kampagne „16 Tage gegen Gewalt an Frauen und Mädchen", die jährlich von 25. November bis 10. Dezember stattfindet, wollen Fraueninitiativen Bewusstsein dafür schaffen, dass Gewalt als fundamentale Menschenrechtsverletzung Folgen für die Betroffenen selbst, aber auch für die gesamte Gesellschaft hat.
„Ausdruck der patriarchalen Gesellschaft"
„Nirgendwo in Europa ist der Frauenanteil unter den Mordopfern höher als in Österreich. Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen soll endlich als das benannt werden, was sie ist: Ausdruck der patriarchalen Gesellschaft. Es geht um männliche Dominanz und Besitzansprüche, die tief in dieser Gesellschaft verwurzelt sind", so die Tiroler „Frauenvernetzungsgruppe für Bewegung und Austausch", die sich für Anliegen von Frauen einsetzt.
Auch Gabi Plattner, Geschäftsführerin des Tiroler Frauenhauses, ist überzeugt, dass gesamtgesellschaftliche Veränderungen notwendig sind: „Wir brauchen eine geschlechtergerechte Welt ohne patriarchale Strukturen, die es übrigens überall gibt, egal, welcher kulturelle Hintergrund." Daher müssen laut Plattner „einengende, diskriminierende und traditionelle Geschlechterrollen aufgelöst werden". Besonders schlecht ist die Situation für Frauen mit Migrationshintergrund, die im Rahmen von Familienzusammenführungen nach Österreich kommen. „Sie sind eine bestimmte Zeit an den Aufenthaltsstatus des Mannes geknüpft und wagen daher nicht, sich zu trennen."
Je größer die Abhängigkeit, desto höher das Risiko
Das Risiko, Opfer von Gewalt zu werden, „ist höher, je größer eine Abhängigkeit in einer Beziehung ist", weiß Plattner. Es geht einerseits um finanzielle Abhängigkeit, „die Frauen oft keine andere Chance lässt, als eine Gewaltbeziehung weiter zu erdulden", so Tersch. Gesamtgesellschaftliches Anliegen müsste laut Plattner daher sein, „gleichwertige Arbeit gleich zu bezahlen und die Arbeitswelt dahingehend zu verändern, dass Frauen nicht mehr in prekären Jobs arbeiten müssen".
67 Prozent der schwerwiegenden Taten werden weder in einer Gewaltschutzeinrichtung gemeldet noch bei der Polizei angezeigt. Tersch ermutigt Frauen mit Gewalterfahrung, sich bei Opferschutzeinrichtungen und der Polizei zu melden. „Wir haben das gleiche Ziel, aber verschiedene Möglichkeiten zu helfen." Und Plattner — die sich sehr zufrieden über das neu eröffnete Frauenhaus mit seinen 30 Plätzen für Frauen und Kinder zeigt — wünscht sich dennoch, „dass die Gewaltprävention durch die Bereitstellung von deutlich mehr finanziellen Mitteln ausgebaut wird".
Bierdeckel sollen Tabus brechen
Um Menschen klarzumachen, dass das Thema Gewalt an Frauen noch lange nicht „vom Tisch" ist, startet die „Feministische FrauenLesbenVernetzung" Tirol am Montag eine Aktion in 20 Innsbrucker Lokalen. Es werden Bierdeckel mit fünf verschiedenen Sujets und Botschaften verteilt.
Darauf zu lesen ist beispielsweise, dass allein in Österreich 75 Prozent der Frauen am Arbeitsplatz sexuell belästigt werden.
„Wir sind alle aufgerufen, sexualisierte Gewalt aus dem Tabu zu heben", sagt Doris Stauder vom Verein „Frauen gegen VerGEWALTigung". Betroffenen falle es oft schwer, darüber zu reden, auch aus Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren. Deshalb bietet der Verein eine Anlaufstelle für die Opfer von sexualisierter Gewalt.
Die so genannte „Frauenhelpline" ist der schnellste Weg, um Hilfe zu finden. „Wir können oft am selben Tag des Anrufs eine Beratung gewährleisten. Kostenlos, juristisch, psychosozial und auf Wunsch anonym werden Frauen betreut", erklärt Stauder. Die „Helpline" ist unter 0800/222555 und rund um die Uhr erreichbar. (vg)