Tusk wird Chef der Europäischen Volkspartei

Der scheidende EU-Ratspräsident Donald Tusk wird neuer Chef der Europäischen Volkspartei (EVP). Die Delegierten der christdemokratischen Parteienfamilie, zu der auch CDU und CSU gehören, wählten den Polen am Mittwoch in Zagreb. Die EVP gab die Zustimmung mit 93 Prozent an. Tusk tritt sein Amt am 1. Dezember an. Am Tag zuvor scheidet er als Ratspräsident aus.

In seiner Bewerbungsrede hatte Tusk die Politik des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban attackiert. Ohne Orban namentlich zu nennen, setzte Tusk mehrere Seitenhiebe gegen die ungarische Politik - darunter die Abkehr von der liberalen Demokratie, der Bau eines Grenzzauns gegen Migranten und eine Plakatkampagne gegen Migration.

„Wir müssen das beenden“, sagte Tusk. „In einem politischen Kampf können Wahrheit und Würde nicht vollkommen hilflos stehen gegen Fake News, Manipulationen und Hass.“ Orbans Fidesz-Partei ist Mitglied der EVP, doch ist diese Mitgliedschaft seit März wegen innerparteilicher Kritik suspendiert.

Tusk sagte, in der Debatte innerhalb der EVP gehe es darum, Freiheit und Demokratie zu verbinden sowie Sicherheit mit liberaler Demokratie: „Wir werden unsere Werte wie bürgerliche Freiheiten, Rechtsstaatlichkeit und Anstand im öffentlichen Leben nicht auf dem Altar von Sicherheit und Ordnung opfern, denn dafür gibt es keine Notwendigkeit, weil beide sich nicht gegenseitig ausschließen. Wer das nicht akzeptieren kann, stellt sich de facto außerhalb unserer Familie.“

Hintergrund der Suspendierung von Fidesz war die wachsende Kritik in der EVP an Orbans „illiberaler Demokratie“, aktueller Anlass damals eine Plakatkampagne gegen EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, der ebenfalls der EVP angehört. In den nächsten Wochen soll ein innerparteiliches Gremium eine Empfehlung abgeben, ob und wie Fidesz weiter EVP-Mitglied sein kann.

Der scheidende EVP-Präsident Joseph Daul appellierte an ÖVP-Chef Sebastian Kurz, „nicht allzu grün zu werden. Bleib ein bisschen blau wie die EVP.“ Daul, der beim Kongress mit stehenden Ovationen verabschiedet wurde, nannte Kurz in einem Atemzug mit den jungen EU-Regierungschefs aus den Reihen der größten europäischen Parteienfamilie, Ludovic Orban (Rumänien), Kyriakos Mitsotakis (Griechenland) und Leo Varadkar (Irland).

ÖVP-Chef Sebastian Kurz lobte Österreichs Verhältnis zu Tusk. Der Pole sei etwa in der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft „ein ganz wichtiger Partner“ gewesen, sagte Kurz in Zagreb. „Darum bin ich sehr froh, dass er bereit ist, diese Funktion zu übernehmen.“

Konkret sagte der Ex-Kanzler, dass er etwa beim Kampf gegen illegale Migration gut mit Tusk zusammengearbeitet habe. Der mit Monatsende aus seinem derzeitigen Amt als EU-Ratspräsident scheidende polnische Ex-Premier ist der einzige Kandidat für das weitgehend zeremonielle Amt des EVP-Präsidenten. Seine Wahl war am Mittwochnachmittag im Gange, das Ergebnis sollte gegen 20.00 Uhr verkündet werden. Tusk soll dem eher farblosen französischen Europapolitiker Joseph Daul nachfolgen und der EVP wieder mehr politisches Gewicht auf EU-Ebene geben.

Die EVP konnte bei der Europawahl im Mai zwar ihre Position als stärkste europäische Parteienfamilie verteidigen, stellt künftig aber nur noch einen der drei Präsidenten der EU-Institutionen. Die designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kam aber erst zum Zug, nachdem die EVP ihren eigentlichen Kandidaten Manfred Weber weder im Europaparlament noch im Kreise der Staats- und Regierungschefs durchbringen konnte.

Kurz sagte vor österreichischen Journalisten in Zagreb, dass sich viele EVP-Mitgliedsparteien „bei Wahlen in letzter Zeit sehr schwer getan“ hätten. Deshalb gebe es „viel Interesse an Österreich“. Schließlich sei die ÖVP „mittlerweile die erfolgreichste westeuropäische Mitgliederpartei“. „Wir sind insofern ein wichtiger Bestandteil und freuen uns, die Linie aktiv mitzugestalten“, sagte der ÖVP-Chef, der am ersten Kongresstag zahlreiche bilaterale Treffen auf der Agenda hatte - etwa mit Tusk, von der Leyen, Weber, der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, Brexit-Chefverhandler Michel Barnier und den Regierungschefs von Griechenland (Kyriakos Mitsotakis) und Irland (Leo Varadkar).

Kurz bekräftigte seine bereits beim EVP-Kongress im vergangenen November in Helsinki getätigte Aussage, wonach die EVP „die starke Kraft der Mitte in Europa“ sein solle. Inhaltlich nannte der Ex-Kanzler drei Prioritäten: Die Stärkung des Wirtschaftsstandorts Europa, den Kampf gegen die illegale Migration sowie „die Wahrung der Schöpfung“. Diesbezüglich habe Österreich Vorbildwirkung, weil es als eines von wenigen Ländern weltweit weder auf Atomstrom noch auf Kohle setze.

Kurz bekräftigte zugleich den ÖVP-Kurs in der Migrationsfrage. „Wir wollen die europäische Identität aufrechterhalten und das gelingt nur, wenn auch gesteuert wird, wer nach Europa zuwandern darf und wer nicht.“ Es brauche „dringend“ einen funktionierenden Außengrenzschutz der EU. „Auch da muss die EVP Taktgeber sein und Druck machen, dass wir hier schneller vorankommen.“

Zurückhaltend äußerte sich der ÖVP-Chef, was die türkis-grünen Regierungsverhandlungen betrifft. Seinen internationalen Gesprächspartnern werde er diesbezüglich sagen, „was ich daheim auch immer sage“. Nämlich, dass es eine gute Gesprächsbasis gebe und einen respektvollen Umgang miteinander. „Ich werde hoffentlich schon in ein paar Wochen so weit sein, bewerten zu können, ob es möglich ist oder nicht“, sagte Kurz.