Gemeinschaftskraftwerk Inn: Zweiter Problembohrer wird abtransportiert
Die zweite Tunnelvortriebsmaschine für das Gemeinschaftskraftwerk Inn hat ausgedient. Sorgenkind ist die steinschlaggefährdete Wehrbaustelle.
Von Matthias Reichle
Ovella, Prutz – Der „Vielfraß“ ist satt – die bei der Inbetriebnahme so getaufte Tunnelbohrmaschine des Gemeinschaftskraftwerks Inn (GKI) hat sich 12.075 Meter durch den Stein gegraben und liegt nun wenige Meter von der Wehrbaustelle des Großkraftwerks getrennt im Berg. Vom 200 Meter langen, 1000 Tonnen schweren Giganten mit dem sechs Meter hohen Schneidrad ist allerdings nicht mehr viel übrig. Arbeiter zerlegen ihn derzeit Stück für Stück.
Rund 45 Monate war er im Fels unterwegs, bevor er heuer am 10. Juli sein Ziel in Ovella erreichte. Seit 2015 wird am gewaltigen Innkraftwerk zwischen der Schweiz und dem Obergricht gebaut. Es soll nach Inbetriebnahme jährlich 440 Gigawattstunden Strom produzieren.
Die letzten Meter des 23,3 Kilometer langen Triebwasserwegs wurden allerdings nicht gebohrt, sondern gesprengt. „Der Durchschlag war am 28. Oktober“, erklärte GKI-Geschäftsführer Johann Herdina gestern bei der Führung mit Medienvertretern. „Gott sei Dank sind wir mit dem Tunnel damit durch – die haben uns viel Kopfzerbrechen gemacht“, zeigte er sich dabei erleichtert.
Die beiden eingesetzten Problembohrer – eine Nord- und eine Süd-Maschine – waren mehrfach im Berg steckengeblieben und hatten für massive Verzögerungen gesorgt. Die erste Maschine wurde inzwischen an den Hersteller zurückgegeben und nach Italien abtransportiert. Mit der Demontage der zweiten Maschine will man in 14 Tagen fertig sein. Herdina hofft, den Bohrer schon bald in die Schweiz verkaufen zu können. Dort dürfte er zum Bau eines Rettungsstollens bei einem Tunnel am Walensee eingesetzt werden.
Das GKI, an dem die Tiwag mit 86 Prozent beteiligt ist, kämpfte seit Baubeginn mit Problemen. Die Kosten stiegen von 461 auf inzwischen 604,9 Mio. Euro, die Inbetriebnahme, die einst für 2018 geplant war, wurde heuer auf 2022 verlegt. Nun soll die Investitionssumme aber halten. „Es ist noch eine Reserve da“, so Herdina. Sein GKI-Sorgenkind liegt nun nicht mehr im Berg, sondern bei der Wehrbaustelle im Freien – dort, wo heuer im März mehrere hundert Kubikmeter Gestein abgebrochen sind. „Sie ist das einzige Risiko, das wir noch haben.“
Inzwischen wurde ein Steinschlagdamm errichtet, um die Arbeiter vor weiteren herabfallenden Brocken zu schützen. Seit wenigen Tagen wird dort wieder in Tag- und Nachtschichten am Dotierkraftwerk gearbeitet. Währenddessen ist der Bau des Steinschlagschutzes in der gewaltigen Wand noch nicht abgeschlossen. „Die Arbeiten sind sehr gut gelaufen, der Winter kam uns etwas zu früh“, so Herdina. Wie immer ist es wetterabhängig, wie die Arbeiten weitergehen. Je nach Fertigstellungstermin 2022 dürfte das erste Vollbetriebsjahr für das Kraftwerk dann 2023 sein.
Unterdessen müssen die Rieder Hochbehälter im Bereich Freitzberg und Hohlenegg weiter regelmäßig mit Trinkwasser aufgefüllt werden. Dort ist seit dem Sommer 2018 das Wasser ausgeblieben. Ob durch den Bau des GKI oder die Trockenheit, sei müßig zu diskutieren. Man werde eine Lösung finden, sagt Herdina. Ein Projekt ist in Ausarbeitung.