Leonard Cohen: Ein Amour-Hatscher von Wolke 7
Restlverwertung auf höchstem Niveau: Leonard Cohens großartiges letztes Album „Thanks for the Dance“ erscheint heute posthum.
Von Markus Schramek
Innsbruck –Leonard Cohen ist zurück – nicht direkt aus dem Jenseits, aber irgendwie ist es schon spooky, den Großmeister des vertonten Gedichts wieder im Ohr zu haben. Drei Jahre nach seinem Tod erscheint heute „Thanks for the Dance“, das definitiv letzte Album des kanadischen Singer-Songwriters.
Sohn Adam Cohen, ebenfalls Musiker, hat die Scheibe produziert. Er verfügt über das richtige Händchen, hatte er doch 2016 „You want it darker“, die letzte, tief-dunkle Produktion seines Vaters zu dessen Lebzeiten, begleitet und zum musikalischen Vermächtnis ausgestaltet.
Zwei Wochen später war Leonard Cohen damals 82-jährig einem Leukämieleiden erlegen. Er hinterließ mehrere Generationen von Musikgenießern, die seinen Tod betrauerten. Über viele Jahre waren uns seine lyrischen Songs, voll von Melancholie und Selbstironie, als Trostspender lieb geworden, zu jeder Tages- und vor allem Nachtzeit, wenn die Gedanken schwer wurden.
Cohens Nachlass umfasste aber noch etwas: Skizzen und Entwürfe weiterer Songs, die sich unbedingt Gehör verschaffen wollten. Und – thank God! – da sind sie jetzt: neun neue Tracks aus Cohens Feder, musikalisch arrangiert von Filius Adam, aneinandergereiht wie eine Perlenkette.
„Thanks for the Dance“ geht runter wie Honig. Cohen hält ohne jedes Bedauern ein letztes Mal Rückschau auf sein Künstlerleben, in dem er wenig ausgelassen hat. Herrlich dieses Understatement, wenn er, wie im Auftaktstück „Happens To The Heart“, allen Ernstes von sich behauptet, er habe zwar immer gearbeitet, aber als Kunst würde er das nicht bezeichnen.
Nichts stört an dieser knappen halben Stunde mit L.C. Dezent geleiten Topmusiker vom Schlage eines Daniel Lanois oder Backgroundsängerin Jennifer Warnes den Sprechgesang des ultimativ Abschied-Nehmenden. Deutlich vor der Kitschgrenze macht dieser superbe Tross Halt. Das Album entfaltet sich stilvoll, niemals seicht.
Der Titeltrack „Thanks For The Dance“ ist schlicht genial. Es ist Cohens Adieu an die Fans, an die vielen Liebschaften, an das Leben. Akustikgitarre, Bläser im Mariachi-Style und langsamer, altersgerechter Dreivierteltakt: Das ergibt einen Amour-Hatscher erster Güte. Ein Eisblock, wer da nicht die Hand seiner Herzdame ergreift und den Augenblick feiert, tanzend auf dem Wohnzimmerparkett, hier und jetzt. Cohen gibt den Takt vor: „One two three, one two three.“ Derweil sitzt er wohl auf der Wolke seiner Wahl und hat selbst den größten Spaß dabei.
Musikalischer Nachlass Leonard Cohen: Thanks for the Dance. CD, Vinyl, MP3. Sony Music.