Festakt auf Schloss Tirol: „Südtirol, ein kleines Europa in Europa“
Österreich und Italien demonstrierten beim gestrigen Festakt auf Schloss Tirol bei Meran, dass Südti-rol heute verbindet und eine Brücke zwischen Wien und Rom ist.
Dorf Tirol, Meran — Mit der knappen Zustimmung zum Südtirol-Paket hat die Südtiroler Volkspartei in der Nacht vom 22. auf 23. November 1969 den Grundstein für die heutige Südtirol-Autonomie gelegt. „Als Sternstunde der Demokratie" bezeichnet Südtirols LH Arno Kompatscher die Paket-Nacht. Deshalb blickten gestern auf Schloss Tirol Österreich, Italien, Südtirol, Tirol und das Trentino nicht nur auf diese denkwürdigen Stunden vor 50 Jahren zurück, sondern vor allem vorwärts. Das symbolisierten insbesondere Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella und Bundespräsident Alexander Van der Bellen sichtbar: Mattarella trug ein österreichisches Ehrenzeichen, Van der Bellen ein italienisches.
Die großen Zeichen wie eine gemeinsame Erklärung der beiden Staatspräsidenten oder die für möglich gehaltene Ankündigung der Begnadigung des Südtirol-Aktivisten Heinrich Oberleiter durch Mattarella blieben aus. Trotzdem: Man hatte das Gefühl, Van der Bellen und Mattarella wollten bewusst einen Kontrapunkt zu den kontroversiellen Debatten der vergangenen Monate etwa über die Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler setzen.
Tragfähige Lösungen sind für Van der Bellen nur durch das mutige Zusammenspiel der kooperativen Kräfte möglich und „die Suche nach Gemeinsamkeit führt zum Erfolg". Dies gelte für die Angehörigen aller Sprachgruppen, für Politikerinnen und Politiker des Landes ebenso wie für die Repräsentanten Italiens und Österreichs. „Aufgabe ist es, diese Autonomie weiterzuentwickeln und den aktuellen Lebensbedingungen und Bedürfnissen anzupassen, und zwar gemeinsam, im gegenseitigen Respekt, und indem wir das Einende vor das Trennende stellen", appellierte Van der Bellen. Für ihn verbindet Südtirol Österreich und Italien.
Kompatscher erteilte Zündlern („Diese positive Entwicklung wird aber nachhaltig gestört, ja, aufs Spiel gesetzt, wenn es immer wieder ein Zündeln und gegenseitiges Provozieren gibt") auf beiden Seiten eine klare Absage. Ebenso ist er zuversichtlich, „dass auch wir selbst noch bestehende Kontroversen, die für das friedliche Zusammenleben hinderlich sind, überwinden können, wenn wir dies in einem respektvollen Dialog miteinander tun". Der Landeshauptmann, der zuletzt gegen die Initiative für die Doppelstaatsbürgerschaft auch aus den eigenen Reihen auftrat, ist überzeugt, dass es damit gelingen werde, Südtirols Autonomie auch in Zukunft als wirksames Schutz- und Entwicklungsinstrument zu bewahren, „welches es uns weiterhin erlaubt, die Identitäten zu stärken und gleichzeitig den Mehrwert der vorhandenen Vielfalt zu nützen".
Zwischen Wien und Rom wird aktuell ein Staatsvertrag vorbereitet, der die internationale Schutzfunktion Österreichs für die deutschsprachige Minderheit in Italien und die Autonomie beinhalten soll.
Die Geste von Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella war eine Verbeugung vor Südtirol und ein Bekenntnis zur Autonomie. „In unserer großen Gesellschaft stellt jedes Volk eine Minderheit dar, die zum großen Ganzen, zur Einheit in der Vielfalt beiträgt." Südtirol repräsentiere mit Italienern, Deutschen und Ladinern, wie Kompatscher es immer beschreibe, ein kleines Europa in Europa. „Die Südtiroler Autonomie ist beispielhaft in der ganzen Welt", sagte Mattarella.
Tirols Landeshauptmann Günther Platter und sein Trentiner Amtskollege Maurizio Fugatti vervollständigten die Europaregion in Meran. Nach einem landesüblichen Empfang mit den Schützen hielten Mattarella und Van der Bellen bei der Gedenktafel an Franz Innerhofer, dem ersten Südtiroler Opfer des Faschismus, in Bozen inne und legten danach einen Kranz an der Mauer des Bozner NS-Durchgangslagers im Gedenken an die Tausenden Opfer nieder. (pn)
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