Nestroy-Theaterpreise zum 20. Mal vergeben

Im Theater an der Wien wurden am Sonntagabend zum 20. Mal die Nestroy-Preise vergeben. Maria Köstlinger, Florian Teichtmeister und ORF-III-Moderator Peter Fässlacher führten nach einem Skript von Nicolaus Hagg durch die Gala. Beste Schauspielerin wurde Volkstheater-Mimin Steffi Krautz, den Nestroy-Preis als bester Schauspieler durfte sich der Deutsche Steven Scharf abholen.

Die erste Auszeichnung des Abends durfte der deutsche Bühnenbildner Raimund Orfeo Voigt entgegennehmen. Seine sich langsam und beständig am Bühnenportal vorbei bewegenden Bühnen für das Theater in der Josefstadt („Der einsame Weg“ von Arthur Schnitzler) und die Salzburger Festspiele („Sommergäste“ von Maxim Gorki) wurden mit dem Ausstattungs-Nestroy belohnt.

Der Spezialpreis ging an „3 Episodes of Life“ des schwedischen Künstlers Markus Öhrn, eine dreiteilige internationale Koproduktion rund um das #metoo-Thema, die bei den Wiener Festwochen im Studio Molière uraufgeführt wurde. Anhand der Grenzüberschreitungen eines Choreografen wird dabei eine verstörende Reise in die dunklen Abgründe von Kunst und Gesellschaft unternommen. Der Preis für die Beste Off-Produktion ging an die mehrteilige Theater-Sitcom „The Bruno Kreisky Lookalike“ der Gruppe Toxic Dreams unter der Regie von Yosi Wanunu.

Der bei einer Online-Abstimmung entschiedene, zum zehnten Mal vergebene Nestroy-ORF-III-Publikumspreis wurde heute bei der 20. Nestroy-Gala im Theater an der Wien nicht an Preisträger Thomas Frank vom Volkstheater, sondern an seinen Ensemblekollegen Jan Thümer überreicht. Frank spiele just an diesem Abend in Prag die Volkstheater-Produktion „König Ottokar“, entschuldigte Thümer den Preisträger.

Bester weiblicher Nachwuchs wurde die 1989 geborene Salzburgerin Anna Rieser für ihre Darstellung der Grace in „Dogville“ von Lars von Trier im Landestheater Linz. Beim männlichen Nachwuchs wurde der 1992 geborene Wiener Regisseur Moritz Beichl für seine Inszenierung des Romans „Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war“ von Paulus Hochgatterer am Landestheater Niederösterreich ausgezeichnet.

Den Autorenpreis nahm Sibylle Berg für ihr „Hass-Triptychon - Wege aus der Krise“ entgegen, das als Koproduktion der Wiener Festwochen und dem Maxim Gorki Theater Berlin lediglich zweimal in Wien zu sehen war. Die Weimar geborene und in der Schweiz lebende Autorin hat kürzlich für ihren Roman „GRM. Brainfuck“ den diesjährigen Schweizer Buchpreis erhalten. Sie habe eine 30-minütige Rede vorbereitet, sagte sie eingangs schmunzelnd, und musste während der zweieinhalb Minuten, die sie dann tatsächlich dauerte, auch mehrmals selbst lachen.

Die Beste Bundesländer-Aufführung kommt aus dem Schauspielhaus Graz. Dem Regisseur Jan-Christoph Gockel, der für „Der Auftrag: Dantons Tod“ bereits 2017 den Bundesländerpreis geholt hatte, gelang dies auch mit dem u.a. fünf Wochen in Burkina Faso recherchierten und erarbeiteten Fortsetzungs-Projekt „Die Revolution frisst ihre Kinder!“ Zur Besten Aufführung im deutschsprachigen Raum wurde „Dionysos Stadt“ der Münchner Kammerspiele gekürt. Christopher Rüpings zehnstündiger Antiken-Abend war bereits zum Berliner Theatertreffen eingeladen - traditionell ein Adelsprädikat für Inszenierungen.

Beste Schauspielerin wurde Volkstheater-Mimin Steffi Krautz, die sich mit ihrer originellen Darstellung der Blanche DuBois in Tennessee Williams‘ „Endstation Sehnsucht“ u.a. gegen die kommende Salzburger „Jahrhundert-Buhlschaft“ Caroline Peters durchsetzen konnte. „In einer Zeitung stand ja zu lesen, sie ist zu alt und zu wenig attraktiv für diese Rolle. Ich freu mich wahnsinnig, dass die Jury darüber hinwegsehen konnte“, meinte Krautz und ließ eine Presse-Schelte folgen: So etwas schreibe man heutzutage nicht mehr - weder über Frauen noch über Männer. Besonders bedankte sie sich bei Regisseurin und Volkstheater-Direktorin Anna Badora, mit der sie seit 1998 ein Team sei.

Den Nestroy-Preis als bester Schauspieler durfte sich der Deutsche Steven Scharf abholen. Er wurde für seinen Lucas in Simon Stones „Medea“-Version am Burgtheater und als Woyzeck in der ungewöhnlichen Burgtheater-Produktion des Büchner-Stücks ausgezeichnet und verlieh seiner geradezu unbändigen Freude in einer fast atemlosen Jubelrede Ausdruck: „Ich freu‘ mich tierisch!“

Der letzte Nestroy, der am Sonntagabend überreicht wurde, war der Lebenswerk-Preis an die 67-jährige deutsche Regisseurin Andrea Breth, die bereits 2003, 2011 und 2016 Nestroys für die Beste Regie entgegennehmen durfte. „Ich wollte schon mit 14 Regisseurin werden“, bekannte Breth in ihrer Dankesrede. Zu ihrer Zeit habe es weder Regieausbildungen noch Regisseurinnen gegeben. „Es war sehr schwer, sich als Frau in diesem Beruf durchzusetzen.“ Heute habe sie dagegen das Gefühl, „dass ich einer aussterbenden Species angehöre“: „Die Kulturideale, an denen die Menschen früher Halt fanden, werden von Jahr zu Jahr kraftloser. (....) Wenn Kultur wegbricht, wird der Platz frei für Gewalt. (...) Dann wird es nur noch eine Generation von Idioten geben.“ Die Kunst sei die Seele der Welt. „Kunst darf kein Luxus sein, sondern eine Notwendigkeit.“