Die Toten Hosen erfreuten bei Session treue Fans

Die Toten Hosen haben am Sonntag in Wien eine Hitradio Ö3 Studio Session unter dem Motto „Alles ohne Strom“ gespielt. 160 glückliche Fans hatten Zutritt zur exklusiven Darbietung gewonnen. Im Sommer bringt die Band das Unplugged-Projekt in große Hallen. „Das sollen aber keine in sich gekehrten Abende werden, sondern da muss es auch um Party gehen“, sagte Sänger Campino im APA-Interview.

Im reduzierten Sound konnte man Die Toten Hosen schon mehrmals erleben wie etwa im Wiener Burgtheater oder in der Düsseldorfer Tonhalle, wo das aktuelle Live-Album und die gleichnamige DVD/Blu-Ray „Alles ohne Strom“ mitgeschnitten wurden. Die kommende Tour „wird auf jeden Fall eine andere Nummer“, betonte Campino, denn die Band präsentiert sich in einem solchen Rahmen erstmals in großen Locations. Angst habe man keine: „Im Grunde wird die selbe Schlacht geschlagen wie bei den normalen Hosen-Konzerten, nur mit anderen Waffen“, schmunzelte Campino. „Die Leute werden in Sälen stehen, die nicht bestuhlt sind, und wir werden auch nicht herumsitzen. Das muss schon abgehen! Am Ende sind wir dann ein glücklicher, feiernder Haufen, so stellen wir uns das vor.“

Im Großen Sendesaal des Radiokulturhauses haben Die Toten Hosen diese Vorstellung jedenfalls zur Realität gemacht. Klassiker wie „Auswärtsspiel“, „All die ganzen Jahre“ und „Bonnie & Clyde“ (mit wunderschöner Western-Gitarre) funktionierten in den neuen Arrangements ebenso gut wie die neue Hymne „Feiern im Regen“ und ihr Vorgänger „Tage wie diese“. Letzteren Hit sang Campino nur von Kuddel an der Gitarre begleitet, sonst wurde die Stammformation von Klavier, Akkordeon und Cello unterstützt. Es war schon ein Erlebnis zu hören, wie „Pushed Again“ mit Cello statt E-Gitarren-Solo abgeht, und wie gut man zu „Wünsch dir was“ und „Weil du nur einmal lebst“ auch „ohne Strom“ mitgrölen kann.

Bei diesem Programm bekommen Fans nicht nur die Songs in anderer Perspektive geboten, sie haben auch die Möglichkeit, Fragen an die Akteure auf der Bühne zu stellen. Ob es stimmlich eine Herausforderung sei, wollte ein Besucher gestern wissen. „Du meinst, weil wir zum ersten Mal ohne Playback auskommen müssen?“, scherzte Campino und fügte hinzu: „Ich höre mich zum ersten Mal selbst und das ist eine schöne Erfahrung.“ Es wurden ernste und launige Themen angesprochen. Auf die Frage, ob Campino bei einem Meisterschaftsgewinn des FC Liverpool nackt die Anfield Road entlaufen werde, konterte dieser: „Wenn die was gewinnen, warum sollte ich sie dann bestrafen?“

Bei „Alles ohne Strom“ sind Die Toten Hosen noch einen Schritt weiter gegangen als bei den bisherigen Unplugged-Shows. Es wurde und wird viel umarrangiert, Fremdmaterial gecovert und Neues komponiert. „Das war fast so, wie wenn du eine Horde Kinder auf dem Spielplatz loslässt: alles ausprobieren, in jede Stilrichtung gehen, Dinge machen, die sonst - unter Anführungsstrichen - verboten sind“, sagte Campino im APA-Gespräch. Nachsatz: „Wir genießen das sehr, bei dieser Sache für alles offen zu sein und uns keine Grenzen setzen zu müssen.“

Dem Punkrock werden die Düsseldorfer wohl nie abschwören. Aber es sei „ein Segen, mal die subtileren Elemente der Musik zu hören, und auch den Raum zu haben, einzelne Instrumente besser zu featuren“, betonte der Sänger. „Ich denke auch, dass die Texte in diesem etwas ruhigeren Umfeld mehr Aufmerksamkeit genießen.“ Das Programm der kommenden Tour ließe sich mit einem Blättern im Fotoalbum vergleichen. Auf Lieblingslieder will sich Campino dabei nicht festlegen: „Es ist schwer, einzelne Sachen besonders zu bevorzugen. Das hängt von den Abenden ab. ‚Liebeslied‘ ist aber so ein Stück, auf das ich mich jeden Abend freue.“ Die Unplugged-Version des Songs mit schwelgendem Akkordeon, souverän aufgetischt auch bei der Ö3-Session, hat es ja auch in sich.

Mit dem Projekt „Alles ohne Strom“ haben die Hosen ihren gewohnten Rhythmus, nach einer langen Konzertreise und einer anschließenden Festival-Tournee eine Pause einzulegen, unterbrochen. Darauf im Interview angesprochen, lachte Campino: „Wir haben irgendwie die Kontrolle verloren über den Weg, den wir gerade einschlagen. Vielleicht hat das ein bisschen damit zu tun: Je älter man wird, desto öfter sagt man ‚Oh, das wollte ich ja auch noch erledigen‘“, grinste der 57-Jährige. „Aber tatsächlich hatte niemand das Bedürfnis, Abstand gewinnen zu müssen oder eine Ruhephase zu brauchen.“ Am 4. Juli 2020 gibt es Die Toten Hosen ohne Strom in der Wiener Stadthalle und am 29. August in Graz (Open Air am Messegelände).