Gesundheit

Zurück zur Sprache finden: 50 Jahre Logopädie-Ausbildung in Innsbruck

Durch einen Schlaganfall kann die kommunikative Verbindung erstmal unterbrochen sein. Logopädie hilft dabei, diese wieder so gut wie möglich herzustellen.
© istock

Vor 50 Jahren startete die Logopädie-Ausbildung in Innsbruck. Seither hat sich das Tätigkeitsfeld stetig vergrößert und reicht heute bis zur Betreuung von Schlaganfall-Patienten.

Von Theresa Mair

Innsbruck –Jedem dritten Patienten, der einen Schlaganfall erleidet, verschlägt es die Sprache. Insgesamt sind dies pro Jahr 25 bis 50 von 100.000 Einwohnern, die eine Aphasie aufweisen. „Bei einem Drittel der Betroffenen kommt es binnen vier Wochen zu einer Spontanrückbildung“, weiß Georg Newesely, Leiter des Bachelor-Studiengangs Logopädie an der FH Gesundheit in Innsbruck. Obwohl die Sprache von alleine wiederkommt, ist ihm zufolge eine frühzeitige logopädische Therapie wichtig, damit die Rückbildung optimal unterstützt werden kann.

Doch auch bei den anderen zwei Dritteln der Betroffenen ist noch nicht aller Tage Abend. Denn selbst nach vier Wochen seien noch spontane Verbesserungen möglich, „allerdings nicht mehr in diesem Ausmaß“. Nach zwölf Monaten trete die chronische Phase ein. Durch intensives Lernen und Üben können aber auch langfristig noch Fortschritte erzielt werden. „Es gibt auch Möglichkeiten, zu lernen, wie man trotz Sprachstörung den Alltag meistern kann“, weiß der Experte. Grundsätzlich gelte: Je geringer das Defizit am Anfang, desto größer die Chance der Rehabilitation. Es gebe aber durchaus auch Aphasien, die anfänglich schwer sind, sich dann aber günstig entwickeln.

Logopädie wird vom Kindes- bis ins hohe Lebensalter eingesetzt.
© istock

Aphasien können das Verstehen von Lautsprache, das Lesen, das Sprechen und das Schreiben betreffen. „Es kommt immer darauf an, wie ausgeprägt welche Hirnbereiche durch einen Schlaganfall betroffen sind“, erklärt Newesely. In der Logopädie unterscheide man zudem zwischen Sprachstörungen, bei denen die Patienten Wörter nicht mehr verstehen oder nicht mehr abrufen können, und Sprechstörungen. Bei Letzteren gehe es um Probleme der Artikulation, weil die Sprechmuskulatur nicht mehr richtig angesteuert werden kann.

Dazu kommt, dass ein Schlaganfall häufig nicht nur das Sprech- und Sprachvermögen beeinträchtigt, sondern auch noch Schluckstörungen, Lähmungen, Sehstörungen und kognitive Beeinträchtigungen verursachen kann. „Weil auch andere Funktionen betroffen sind, ist die interprofessionelle Zusammenarbeit sehr wichtig. Viele Gesundheitsberufe sind an der Behandlung von Schlaganfall-Patienten beteiligt. Ohne diese Zusammenarbeit gibt es keine zielführende Rehabilitation.“

Bei schweren Schlaganfällen geht es oft erst einmal darum, die Sensibilität zu trainieren und z. B. mit geschmacklichen Reizen das Schlucken zu stimulieren. Erst wenn die vitalen Funktionen sichergestellt sind, kommt laut Newesely das Sprechen ins Spiel. „Es geht darum, wie schwer sich die Störung auf die Kommunikationsfähigkeit auswirkt und wie sie im Alltag einzuschätzen ist. Dabei kommt es auf die Bedürfnisse des Patienten an“, sagt Newesely. In die Therapieplanung wird zudem das Umfeld der Betroffenen mit einbezogen. Es wird festgestellt, welche fördernden (kommunikative Umgebung) oder belastenden Faktoren (z. B. alleinlebend) es gibt, und Strategien für das tägliche Leben angeboten, mit denen die Betroffenen möglichst selbstständig bleiben können.

Die Bandbreite der Hilfsmittel ist groß: „Wenn das Sprechen nicht geht, dann kann man vielleicht mit Schrift kommunizieren. Eine Möglichkeit ist auch, dass man mit Personen im Umfeld ein Kommunikationsbuch zusammenstellt“, sagt Newesely. Auch nonverbale Mittel wie Mimik sowie Zeigegesten und Bildsymbole kommen zum Einsatz. Natürlich wird auch an der Störung selbst gearbeitet, indem der Logopäde die Wortfindung, das Sprachverstehen, das Lesen und das Schreiben oder Atmung, Stimme und Artikulation trainiert – je nachdem, welche Bereiche beeinträchtigt sind.

Voraussetzung ist jedoch nicht nur, dass sich die Betroffenen darauf einlassen, sondern auch die Angehörigen. „Das soziale Umfeld ist immer mitbetroffen. Es muss geschult sein. In Beratungen und Einzelgesprächen lassen sich Wege finden, um wieder weiterzukommen“, ermutigt Newesely.

50 Jahre Logopädie

1.10.1969 Die ersten fünf angehenden Logopädinnen beginnen an der neuen Innsbrucker Logopädieschule ihre zweijährige Ausbildung. Zuvor wurde 1968 in Innsbruck die erste Lehrkanzel für Audiologie und Phoniatrie im deutschsprachigen Raum und in weiterer Folge die Uniklinik für Hör-, Stimm- und Sprechstörungen gegründet, an der sich die Schule befindet.

1992 Die Umstellung der Schule auf eine Akademieform wird beschlossen und damit dem immer größer werdenden Tätigkeitsbereich von Logopäden Rechnung getragen. Die Ausbildung wird dreijährig und wesentlich umfangreicher.

1995 Die Akademie für den logopädisch-phoniatrisch-audiologischen Dienst übersiedelt an das Ausbildungszentrum West (AZW).

2007 Der erste FH-Studiengang Logopädie startet an der Fachhochschule Gesundheit. Im Rahmen des Bologna-Prozesses wurde die Ausbildung akademisiert. Seit Gründung wurden 560 Logopädinnen und Logopäden ausgebildet, weitere 48 sind derzeit im Studium. Alle zwei Jahre beginnt ein neuer Kurs, für den aus rund 120 Bewerbungen 24 Teilnehmer ausgewählt werden.

Der Tätigkeitsbereich umfasst Beratung, Diagnostik und Therapie in den Bereichen Stimme, Sprache, Sprechen, Schlucken und Hören vom Kleinkind- bis ins hohe Lebensalter. Einsatzgebiete sind Sprachentwicklung, Stottern, Stimmstörungen, funktionale Störungen (z. B. beim Kauen) sowie Sprach-, Sprech- und Schluckstörungen nach Schlaganfall und bei degenerativen Erkrankungen.

Für Sie im Bezirk Innsbruck unterwegs:

Michael Domanig

Michael Domanig

+4350403 2561

Verena Langegger

Verena Langegger

+4350403 2162

Renate Perktold

Renate Perktold

+4350403 3302

Verwandte Themen