Kunstdiebstahl in Dresden kein „normaler“ Einbruch
Nach dem Juwelendiebstahl aus dem Grünen Gewölbe im Dresdner Residenzschlosses steht für die Ermittler fest: es war kein „normaler“ Einbruch. „Insgesamt sprechen die Umstände für eine zielgerichtete und vorbereitete Tat“, sagte der Leiter der Sonderkommission „Epaulette“, Kriminalrat Olaf Richter, am Dienstag. Es ist nach wie vor unklar, wie viel aus dem Juwelenzimmer gestohlen wurde.
Die Ermittler sind sicher, dass der nahe der Autobahn in einer Tiefgarage in Brand gesetzte Wagen das Fluchtfahrzeug war. Im Wrack wurden Spuren vom Tatort gefunden. Auch das Feuer in einem Stromverteilerkasten in der Nähe des Museums stehe mit dem Einbruch am Montagfrüh in Verbindung. Er sei vorsätzlich angezündet worden, worauf die Straßenbeleuchtung in der Umgebung ausfiel. Kunstexperten sehen eine neue Bedrohungslage für die Sicherheit der Museen. Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, forderte angesichts dieser ganz spezifischen neuen Gefährdung eine Taskforce gemeinsam mit Sicherheitsexperten.
Neben der Spurensuche im Historischen Grünen Gewölbe wird nun auch die Tiefgarage im Stadtteil Pieschen kriminaltechnisch überprüft. Zudem befragen Beamte Passanten in der Umgebung des Schlosses sowie Gäste des gegenüberliegenden Hotels - bisher ohne Ergebnis. Die SoKo prüft indes 91 Hinweise, die nach dem Zeugenaufruf vom Montag eingingen. Sie hat zudem einen Link auf das Hinweisportal der Polizei aktiviert. Dort könne Bild- oder Videomaterial zur Straftat an die Behörden weitergegeben werden.
Zwei Unbekannte waren am Montagmorgen in das streng gesicherte Museum im Residenzschloss eingedrungen und hatten zahlreiche Schmuckstücke mit Diamanten und Brillanten gestohlen. Sie stiegen über eines der vergitterten Fenster von der Straße her ein und gingen dann gezielt ins Juwelenzimmer. Auf einem von der Polizei veröffentlichten Überwachungsvideo sind zwei Einbrecher zu sehen, die mit Taschenlampen den dunklen Raum betreten und mit einer Axt auf die Vitrine einschlagen und versuchen, sie aufzubrechen. Mit einer noch unbekannten Menge an Juwelen konnten sie nach nur wenigen Minuten flüchten.
Für die Museumsleitung ist nach wie vor unklar, was und wie viel gestohlen wurde. Auch aufgrund der Polizeifotos von der geplünderten Vitrine sei nicht gesichert, welche Stücke fehlen, sagte Direktor Dirk Syndram. „Ich weiß, dass einige Objekte nicht an ihrem Platz sind. Aber ich kann nicht sagen, wie es auf dem Boden der Vitrine aussieht.“ Klarheit könne nur eine Bestandsaufnahme bringen, die noch aussteht. Anhand von Tatortbildern der Polizei waren fehlende Objekte identifiziert worden, darunter prominente Kostbarkeiten. Die Handyfotos bergen allerdings viele Unklarheiten, sagte Syndram. Klar sei aber, dass es viel mehr als die zehn Teile der Brillant- und Diamantgarnituren sind.
Die Juwelen in dem Schatzkammermuseum, das Sachsens Kurfürst August der Starke (1670-1733) eingerichtet hatte, sind für das Museum unersetzlich und für die Diebe unverkäuflich, wie Syndram erklärte. Anhand von Polizeifotos konnte er sehen, dass prominente Stücke der Brillant- und Diamantrosengarnitur sowie vom Brillantschmuck der Königinnen fehlen wie die Große Brillantschleife. Syndram vermutet, dass sie schon nicht mehr in Dresden ist. Er geht davon aus, dass Profis am Werk waren, aber: „Es sieht eher so aus, dass sie reingegangen sind und so schnell gegriffen haben, was sie konnten.“
Das Historische Grüne Gewölbe wurde 1945 teilweise zerstört und bis 2006 authentisch wiederhergestellt. Höhepunkt des Museumsbestands ist das Juwelenzimmer mit vier Hightech-Vitrinen, in denen bisher Diamanten und Brillanten auf tiefdunkelblauer indischer Rohseide lagen. Der Zugang zu den teils originalgetreu rekonstruierten Räumlichkeiten bleibt auf unbestimmte Zeit geschlossen. Die anderen Museen im Residenzschloss empfangen nach Angaben der Staatlichen Kunstsammlungen an diesem Mittwoch wieder Besucher.
Neben der Spurensuche an den Tatort muss geklärt werden, wie ein solcher Coup gelingen konnte - trotz der Sicherheitsmaßnahmen. Der Präsident des Deutschen Museumsbundes, Eckart Köhne, wies darauf hin, dass Museen in Deutschland im Zwiespalt zwischen Sicherung der Objekte und Zugang für die Öffentlichkeit steckten. „Wir sind eben kein Banksafe. Und das bringt ein gewisses Risiko mit sich“, sagte er der dpa in Berlin. Zudem gibt es laut Köhne „eine spezielle Art von Kriminalität mittlerweile, die einem wirklich Sorgen macht.“ Da seien keine Trickdiebe unterwegs, sondern werde mit roher Gewalt vorgegangen. „Das ist eine Qualität, der man begegnen muss.“
Aus Sicht des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, markiert der Einbruch eine neue Bedrohung für die Sicherheit von Museen. „Ich sehe hier eine erhöhte Gefährdungslage für Museen“, sagte Parzinger am Dienstag der dpa in Berlin. Deswegen sollten sich „Ermittlungsbehörden wie Bundeskriminalamt, Landeskriminalämter und Sicherheitsfachleute der Museen zusammensetzen und beraten, wie darauf reagiert werden kann“. Parzinger fordert konkrete Schritte: „Wir sollten eine kleine Taskforce einsetzen, die sich genau darüber Gedanken macht aufgrund dieser ganz spezifischen neuen Gefährdungslage.“