Gestrecktes Cannabis: Kiffern in Innsbruck droht böses Erwachen
Am Innsbrucker Schwarzmarkt ist mit Chemie gestrecktes Cannabis im Umlauf. Die Drogenberatung des Jugendzentrums Z6 warnt vor unabsehbaren Gesundheitsfolgen. Lebensgefahr nicht ausgeschlossen.
Von Thomas Hörmann
Innsbruck – 4F-MDMB-Binaca: eine Bezeichnung, mit der normalerweise nur Chemiker etwas anfangen können. Hinter der Buchstaben- und Ziffern-Kombination verbirgt sich ein synthetisches Cannabinoid, das wesentlich stärker und gefährlicher ist als das „natürliche“ Cannabis. Wie gefährlich ist noch unklar – seriöse Untersuchungen fehlen. Fest steht aber, dass die molekulare Struktur von 4F-MDMB einem anderen Cannabinoid ähnelt, das allein in Europa für 28 Drogentote verantwortlich gemacht wird.
Von Herzrasen bis Ich-Auflösung
Jetzt sorgt 4F-MDMB-Binaca in Innsbruck für Aufregung. „Die Substanz wurde bereits bei der Analyse von vier Innsbrucker Haschisch-Proben entdeckt“, begründet dies Manuel Hochenegger von der Drogenberatung des Jugendzentrums Z6: „Das Problem ist, dass das Cannabinoid dem Cannabis beigemengt wird, was für die Konsumenten aber nicht erkennbar ist.“
Wer derart gestrecktes Haschisch oder Marihuana erwischt, muss mit einem bösen Erwachen aus dem Drogenrausch rechnen. „Mehrere Personen berichteten über Herzrasen, Kreislaufbeschwerden, Kopfschmerzen, Angstzustände (auch am Folgetag), extreme Amnesie, Ich-Auflösung und Realitätsverlust“, heißt es im Warnhinweis, der auf der Internetseite der Z6-Drogenberatung veröffentlicht wurde. Die negativen Erfahrungen der Konsumenten waren auch der Grund, warum die Haschisch-Proben entgegen den Gepflogenheiten im Rahmen des Drug-Checking-Programms von den Innsbrucker Gerichtsmedizinern analysiert wurden.
Gefahr der Überdosierung hoch
Die Sucht-Experten des Z6 warnen aber nicht nur vor 4F-MDMB-Binaca, sondern auch vor Cannabinoiden im Allgemeinen: „Im Vergleich zum (natürlichen Cannabis-Wirkstoff) THC sind akute und schwerwiegende Vergiftungen bei synthetischen Cannabinoiden wahrscheinlicher. So kann der Konsum zu rascher Ohnmacht, Herzinfarkt, Herzrasen, Bluthochdruck, Krampfanfällen, Übelkeit mit Erbrechen, akuten Psychosen sowie aggressivem und gewaltsamen Verhalten führen.“
Zudem bestehe die Gefahr der Überdosierung, weil das im Labor produzierte Cannabis deutlich wirksamer ist als das natürliche. Auch das Cannabinoid mit der Bezeichnung 5F-ADB, das für 28 Todesfälle in Europa verantwortlich gemacht wird, ist bereits in Innsbruck in Umlauf. „Wir haben das schon im Vorjahr bei Analysen von Räuchermischungen festgestellt“, erzählt Hochenegger. Der Unterschied: Die Konsumenten dieser Räuchermischungen wissen, auf was sie sich einlassen, die 4F-MDMB-Marihuana-Raucher nicht.“
Apropos Räuchermischungen: Diese Bezeichnung ist etwas irreführend bzw. verharmlosend und stammt aus einer Zeit, als diese Produkte noch legal waren. Mit harmlosen Räucherstäbchen haben diese Mischungen nichts zu tun. Vielmehr enthalten sie meist die gefährlichen Cannabinoide und werden von den Konsumenten wie Marihuana geraucht. Daran können auch die (scheinheiligen?) Warnhinweise auf den Verpackungen nichts ändern.
EU: Cannabis führt Drogenranking an
Europas Drogenmarkt macht jährlich derzeit rund 30 Milliarden Euro aus. Weltweit waren es 2014 zwischen 426 und 652 Milliarden US-Dollar. Dies geht aus dem gestern in Brüssel veröffentlichten EU-Drogenmarkt-Bericht 2019 von der Europäischen Drogenbeobachtungsstelle (EMCDDA) und Europol hervor. Die wichtigsten Informationen aus Europa: Vom Gesamtmarkt für illegale Drogen (30 Mrd. Euro/Endverbraucherpreis) entfallen 39 Prozent auf Cannabis (11,6 Mrd. Euro), 31 Prozent auf Kokain (9,1 Mrd. Euro) und 25 Prozent auf Heroin (7,4 Mrd. Euro). Amphetamin (drei Prozent/eine Milliarde Euro) und Ecstasy/MDMA (zwei Prozent/500 Millionen Euro) rangieren unter „ferner liefen“.
Der Drogenmarkt ist regional und international in einem ständigen Wandel begriffen. Das spielt sich bei allen illegalen Suchtgiften ab. Weltweit dürften vergangenes Jahr 181 Millionen Menschen im Alter zwischen 15 und 64 Jahren Cannabis bzw. Cannabis-Produkte konsumiert haben, in Europa waren es 24,7 Millionen, davon 17,5 Millionen 15- bis 34-Jährige, heißt es in dem Report.
„Der Bericht veranschaulicht, dass Cannabiskraut und -Harz zwar nach wie vor den Markt dominieren, Cannabisprodukte in Europa jedoch immer vielfältiger werden. Hochwirksame Extrakte, auf Cannabis basierende medizinische und gesundheitsorientierte Produkte sowie immer mehr Cannabidiol (CBD) oder Produkte mit niedrigem THC-Gehalt werden in verschiedenen Formen verkauft“, schreiben die Autoren.