Abstimmung überstanden: Das ist die neue EU-Kommission
Das EU-Parlament hat der neuen EU-Kommission ihren Segen gegeben. Damit wird sie am 1. Dezember die Arbeit aufnehmen. Viele neue Gesichter tauchen in der Riege der Kommissare der neuen Präsidentin Ursula Von der Leyen auf. Aber auch Altbekannte haben es ins Team geschafft.
Brüssel – Das EU-Parlament hat am Mittwoch in Straßburg die neue EU-Kommission von Ursula von der Leyen bestätigt. 707 der 751 EU-Abgeordneten nahmen an der Abstimmung teil, 461 stimmten für das Kollegium, 157 dagegen, 89 Mandatare enthielten sich. Damit können EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und ihre 26 Kommissare am 1. Dezember starten. Jedes EU-Land ist vertreten. Ein Überblick:
Die Chefin
Deutschland: Die Christdemokratin Ursula von der Leyen (61) war die Überraschungskandidatin der EU-Staats- und Regierungschefs und wurde Mitte Juli vom EU-Parlament mit knapper Mehrheit gewählt. In Deutschland war die in Brüssel geborene und mehrsprachige Mutter von sieben Kindern unter anderem Familien-, Sozial- und Verteidigungsministerin.
Exekutive Vizepräsidenten
Dänemark: Die Liberale Margrethe Vestager (51) wollte selbst Kommissionspräsidentin werden – und bekommt nun als „exekutive Vizepräsidentin“ die Zuständigkeit für Digitales und Wettbewerb. Als Wettbewerbskommissarin in der bisherigen Kommission hatte sich die resolute Dänin unter anderem Google, Facebook und Amazon vorgeknöpft. In Dänemark war die studierte Ökonomin vorher Bildungs-, Wirtschafts- und Innenministerin.
Niederlande: Der Sozialdemokrat Frans Timmermans (58) wollte ebenfalls selbst Kommissionschef werden und wird nun als Vizepräsident zuständig für Klima und Umweltschutz. Der ehemalige niederländische Außenminister ist schon seit 2014 Erster Vizepräsident. Die besonders wichtige Rolle soll er behalten, auf Augenhöhe mit Vestager. Der Diplomat, der sieben Sprachen beherrscht, war bisher unter anderem für Rechtsstaatlichkeit zuständig.
Lettland: Christdemokrat Valdis Dombrovskis (48) ist der dritte im Bundes der exekutiven Vizepräsidenten und bekommt das Ressort Wirtschaft. Auch er ist schon seit 2014 Vize, bisher zuständig für den Euro. Vorher war er von 2009 bis 2013 lettischer Regierungschef.
Weitere Vizepräsidenten
Spanien: Der Sozialist Josep Borrell (72) wird EU-Außenbeauftragter und ebenfalls Vizepräsident der EU-Kommission. Der Ökonom ist seit Juni 2018 spanischer Außenminister. Zuvor hatte er seit Ende der 1970er Jahre diverse Regierungsposten und war von 2004 bis 2007 Präsident des EU-Parlaments.
Griechenland: Der Jurist Margaritis Schinas (57) soll als Vizepräsident der EU-Kommission „Fördern, was Europa ausmacht“ – zum Beispiel das Prinzip der Gleichheit und Diversität. Zudem soll er die geplanten Projekte in der Migrationspolitik koordinieren. Schinas war EU-Karrierebeamter – unterbrochen von 2007 bis 2009 durch ein Mandat als EU-Abgeordneter der konservativen Partei Nea Dimokratia. Zuletzt war er Chefsprecher von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
Slowakei: Maros Sefcovic (53) bekommt als Vizepräsident das Ressort interinstitutionelle Beziehungen. Er ist seit 2009 Mitglied der EU-Kommission. Zuletzt war er für die Energieunion zuständig. Der Jurist mit langjähriger diplomatischer Erfahrung ist formell parteilos, steht aber den Sozialdemokraten nahe.
Tschechien: Die Liberale Vera Jourova (55) soll als Vizepräsidentin für Werte und Transparenz zuständig werden. Sie ist aktuell EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung. Sie setzte sie sich unter anderem für strengere Regeln für Technologieriesen wie Facebook sowie für Airbnb ein.
Kroatien: Dubravka Suica (62) wird die zuständige Vizepräsidentin der für Demokratie und Demografie. Sie ist Mitglied der konservativen Regierungspartei HDZ, war seit 2013 Europaabgeordnete – also seit dem EU-Beitritt ihres Landes. Zuvor war die Deutsch- und Englischlehrerin lange Bürgermeisterin von Dubrovnik.
Die Nachbesetzungen
Frankreich: Der frühere Unternehmer und Minister Thierry Breton (64) soll Kommissar für den Binnenmarkt werden. Er war bis Ende Oktober Geschäftsführer des französischen IT-Dienstleisters Atos. Von 2002 bis 2005 leitete er den französischen Telekommunikationsriesen France Télécom. Von 2005 bis 2007 war er Wirtschafts- und Finanzminister. Die erste Nominierte, Sylvie Goulard, war wegen laufender Ermittlungen in einer Scheinbeschäftigungsaffäre abgelehnt worden.
Rumänien: Adina Valean (51) ist als Verkehrskommissarin vorgesehen. Sie war seit 2007 Europaabgeordnete der liberal-konservativen PNL-Partei. Die studierte Mathematikerin war vorher Mitglied mehrerer Stiftungen und Verbände, die unter anderem liberale Wirtschaftspolitik fördern. Die erste rumänische Kandidatin, Rovana Plumb, war wegen finanzieller Interessenkonflikte vom Europaparlament gestoppt worden.
Ungarn: Oliver Varhelyi (47) soll Kommissar für Nachbarschaft und Erweiterung werden. Der ungarische Diplomat gehört zwar nicht der Fidesz-Partei von Viktor Orban an, gilt aber als loyaler Anhänger des ungarischen Regierungschefs. Einige Abgeordnete befürchteten bei ihm eine zu große Nähe zu Orban. Varhelyi war zum Zeitpunkt seiner Nominierung der ungarische EU-Botschafter. Orbans erste Wahl, Laszlo Trocsanyi, lehnten die EU-Abgeordneten ebenfalls wegen finanzieller Interessenskonflikte ab.
Die Alten Hasen
Belgien: Der Liberale Didier Reynders (61) soll Justizkommissar werden. Er ist seit 2011 belgischer Außenminister. Zuvor war er viele Jahre Finanzminister und Vize-Premier. Bereits 2014 war er als belgischer EU-Kommissar im Gespräch, doch erhielt die Christdemokratin Marianne Thyssen den Vorzug. Zuletzt sondierte Reynders im Auftrag des belgischen Königs für eine mögliche neue Regierung nach der Parlamentswahl vom Mai.
Bulgarien: Die Christdemokratin Marija Gabriel (40) soll Kommissarin für Innovation und Jugend werden. Sie ist seit Juli 2017 als jüngstes Mitglied der EU-Kommission unter Juncker für das Ressort Digitale Wirtschaft und Gesellschaft zuständig. Zuvor war die Philologin von 2009 bis 2017 Europaabgeordnete. Gabriel gehört zur in Sofia regierenden bürgerlichen Partei GERB.
Irland: Der Christdemokrat Phil Hogan (59), bisher Agrarkommissar, ist nun als Handelskommissar vorgesehen. Anfang der 1980er Jahre hatte der Ökonom vorübergehend den Bauernhof seiner Familie geführt, bevor er Parlamentsabgeordneter und später unter anderem Umweltminister wurde.
Italien: Der Sozialdemokrat Paolo Gentiloni (65) soll Wirtschaftskommissar werden. Er war in Italien mehrfach Minister und schließlich von Ende 2016 bis 2018 Regierungschef. Nach dem Start der Populistenkoalition in Rom blieb er bis zum erneuten Regierungswechsel Abgeordneter der Partei PD. Der Römer hat Politikwissenschaften studiert und spricht fließend Englisch.
Österreich: Johannes Hahn (61) war bisher Kommissar für Erweiterung und Nachbarschaftsfragen und bekommt nun das Ressort Haushalt und Verwaltung. Der Politiker der konservativen ÖVP war vor der Brüsseler Zeit Wissenschaftsminister. Früher war er unter anderem bei einem Glücksspielkonzern tätig.
Die Neulinge
Estland: Kadri Simson (42) soll Energiekommissarin werden. Die frühere Wirtschaftsministerin von der linksgerichteten Zentrumspartei ist Wunschkandidatin von Regierungschef Jüri Ratas.
Finnland: Jutta Urpilainen (44) soll Kommissarin für internationale Partnerschaften werden. Sie war früher Vorsitzende der finnischen Sozialdemokraten und Finanzministerin. Doch musste die studierte Pädagogin die Parteiführung 2014 an den heutigen Ministerpräsidenten Antti Rinne abgeben.
Litauen: Virginijus Sinkevicius (29) geht als Kommissar für Umwelt und Ozeane an den Start. Der Ökonom und Jurist ist vom Bund der Bauern und Grünen. Er war als jüngster Minister in der Geschichte seines Heimatlandes seit 2017 für Wirtschaft und Innovation. Seine Partei steht den europäischen Grünen nahe, ist aber eher in der politischen Mitte angesiedelt.
Luxemburg: Der Sozialdemokrat Nicolas Schmit (65) soll Kommissar für Arbeitsplätze werden. Er war Luxemburgs Botschafter bei der EU und von 2009 bis 2018 Arbeitsminister. Im Mai 2019 wurde er ins Europaparlament gewählt. Schmit hätte schon 2014 EU-Kommissar werden sollen, musste aber wegen Junckers Ernennung zum Kommissionspräsidenten verzichten.
Malta: Die Sozialdemokratin Helena Dalli (57) soll Kommissarin für Gleichstellung werden. Sie ist langjährige Abgeordnete im Parlament des Inselstaates. Von 2013 bis 2017 war die promovierte Soziologin Sozial- und Verbraucherschutzministerin, danach Ministerin für EU-Angelegenheiten und Gleichberechtigung.
Polen: Janusz Wojciechowski (64) soll Landwirtschaftskommissar werden. Er gehört zur rechtskonservativen Regierungspartei PiS. Er war früher Richter und leitete den polnischen Rechnungshof, bevor er 2004 EU-Abgeordneter wurde. Wegen möglicher Unregelmäßigkeiten bei Reisekostenabrechnungen während seiner Zeit im Europaparlament ermittelt die EU-Anti-Betrugsbehörde Olaf gegen ihn.
Portugal: Elisa Ferreira (64) soll Kommissarin für Kohäsion und Reformen werden. Sie war zuletzt Vize-Gouverneurin der portugiesischen Zentralbank. Die Sozialistin war in den 1990er Jahren unter anderem Umweltministerin, später war sie Abgeordnete im nationalen und im EU-Parlament.
Schweden: Die Sozialdemokratin Ylva Johansson (55) ist als Kommissarin für Inneres nominiert. Sie war zuletzt Arbeitsmarktministerin, hatte vorher aber auch schon andere Ministerämter. Nach ihrem Lehramtsstudium in Lund arbeitete sie früher als Mathe-, Physik- und Chemielehrerin.
Slowenien: Der Karrierediplomat Janez Lenarcic (52) soll Kommissar für Krisenmanagement werden. Er war nicht nur Botschafter seines Landes bei der EU, sondern auch Vertreter bei der OSZE und den Vereinten Nationen. Zwischendurch war er Berater des Außenministeriums und der Regierung.
Zypern: Die Konservative Stella Kyriakidou (63) bekommt das Ressort Gesundheit. Sie ist langjährige Parlamentsabgeordnete, zwischen 2017 und 2018 war sie auch Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Die Kinderpsychologin gilt als Vertraute von Präsident Nikos Anastasiades.