Freispruch für Menschenrechtler in Türkei gefordert
Im Prozess gegen mehrere in der Türkei angeklagte Menschenrechtsaktivisten hat die Staatsanwaltschaft Freisprüche für fünf Angeklagte - darunter den Deutschen Peter Steudtner und den Schweden Ali Gharavi - gefordert. Gegen die frühere türkische Amnesty-Direktorin Idil Eser und vier weitere Aktivisten hielt sie dagegen am Vorwurf der „Unterstützung einer Terrororganisation“ fest.
Der Ehrenvorsitzende der Menschenrechtsorganisation Amnesty International in der Türkei, Taner Kilic, soll seinerseits nach dem Willen der Staatsanwaltschaft wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ verurteilt werden. Darauf stehen bis zu 15 Jahre Haft. Amnesty kritisierte die Forderung scharf.
Steudtner, der nicht zur Verhandlung angereist war, reagierte irritiert auf die unterschiedlichen Strafforderungen. Die Anklage schlug auch einen Freispruch für den deutschen Menschenrechtsaktivisten, seinen schwedischen Kollegen Ali Gharavi und drei weitere der insgesamt elf Angeklagten vor. Grund sei ein Mangel an Beweisen, hieß es am Mittwoch im Plädoyer des Staatsanwalts vor dem Istanbuler Gericht.
Das Plädoyer des Staatsanwalts sei fast eine „Kopie der ursprünglichen Anklageschrift“ und damit ein „juristisches Unding“, sagte Steudtner am Mittwoch. Entlastende Beweise, die zum Teil auf Polizeiermittlungen beruhten, seien nicht berücksichtigt worden. Er könne sich vorstellen, dass der für ihn vorgeschlagene Freispruch auch mit wirtschaftlichen und politischen Erwägungen der türkischen Regierung zu tun habe, so Steudtner.
Steudtner, Gharavi und acht türkische Menschenrechtler waren Anfang Juli 2017 bei einem Workshop auf der Insel Büyükada vor der Küste Istanbuls unter Terrorverdacht festgenommen worden. Zu Prozessbeginn im Oktober 2017 kamen alle frei, Steudtner und Gharavi reisten aus. Kilic, dessen Fall später der Anklageschrift hinzugefügt wurde, saß mehr als ein Jahr lang im westtürkischen Izmir in Untersuchungshaft.
Der Türkei-Experte der Organisation Amnesty International, Andrew Gardner, reagierte mit scharfer Kritik auf die Strafforderung gegen Kilic. „Selbst für die sehr niedrigen Standards von Prozessen, die in solchen Fällen stattfinden, war das ein wirklich unerwartetes und wirklich schlechtes Ergebnis heute“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Es sei, als ob die letzten beiden Jahre Prozess nie stattgefunden hätten. Der Generalsekretär von Amnesty Deutschland, Markus Beeko, forderte die deutsche Regierung und andere Staaten dazu auf, sich umgehend für einen Freispruch aller Menschenrechtler einzusetzen.
Der Fall Steudtner sowie die Inhaftierung weiterer Deutscher hatte ab 2017 die türkisch-deutschen Beziehungen schwer belastet. Zwischenzeitlich hatte sich nach der Freilassung prominenter Betroffener das Verhältnis etwas entspannt. Zuletzt war die Zahl der Deutschen im Konflikt mit der türkischen Justiz aber wieder gestiegen. Nach offiziellen Angaben von vergangener Woche sitzen derzeit 60 Deutsche in türkischer Haft. Noch im Februar lag die Zahl bei 47. Das Außenministerium in Berlin erhebt allerdings nicht mehr öffentlich, wie viele Fälle „politisch“ sind - bei denen es also etwa um Terrorvorwürfe oder Präsidentenbeleidigung geht.
Ein Urteil wird zum nächsten Gerichtstermin am 19. Februar erwartet.