HRW wirft protürkischer Miliz Kriegsverbrechen vor
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat pro-türkischen Milizen in Nordsyrien mutmaßliche Kriegsverbrechen vorgeworfen. Die Organisation prangerte am Mittwoch willkürliche Hinrichtungen von Zivilisten sowie Plünderungen und die illegalen Beschlagnahme von Eigentum an. Außerdem hätten sie vertriebene kurdische Einwohner an der Rückkehr gehindert.
„Die Türkei sollte in den Gebieten, die derzeit unter ihrer effektiven Kontrolle stehen, zu Menschenrechtsverletzungen ermitteln, die in vielen Fällen mögliche Kriegsverbrechen darstellen“, forderte HRW mit Blick auf den Grenzstreifen, den die Türkei im Oktober in Nordsyrien besetzt hatte. Die Regierung in Ankara müsse zudem darauf dringen, dass die pro-türkischen Milizen weitere Übergriffe unterließen, und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.
Die türkische Armee hatte im Oktober zusammen mit verbündeten syrischen Milizen eine Offensive gestartet und die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) aus einem Grenzstreifen in Nordsyrien vertrieben. Wegen der Kämpfe flohen nach UN-Angaben knapp 200.000 Einwohner aus den Grenzstädten Tal Abyad und Ras al-Ain und umliegenden Gebieten. Demnach sind noch immer rund 74.000 Menschen aus der Region vertrieben.
„Menschen hinrichten, ihr Eigentum plündern und Vertriebene daran hindern, in ihre Häuser zurückzukehren, sind der klare Beweis, warum die von der Türkei angestrebte ‚Sicherheitszone‘ nicht sicher ist“, erklärte die HRW-Vertreterin Sarah Leah Whitson. Sie kritisierte die Tötung eines Mitarbeiters des Kurdischen Roten Halbmonds und forderte Auskunft zum Verbleib von zwei weiteren Mitarbeiterinnen, die von Milizionären verschleppt worden waren.
Schon während der Offensive waren den teils islamistischen Verbündeten der Türkei Kriegsverbrechen vorgeworfen worden, darunter die Ermordung einer kurdischen Politikerin. Auch die Türkei wurde beschuldigt, bei den Artillerie- und Luftangriffen zahlreiche Zivilisten getötet zu haben. Ankara weist dies zurück und betont, alle möglichen Vorkehrungen zum Schutz der Zivilbevölkerung zu treffen. Aktivisten beziffern die Zahl der zivilen Opfer der Offensive auf mindestens 150.