Mediengipfel in Lech: Guttenberg glaubt an Wiederwahl von Trump
Der ehemalige deutsche Spitzenpolitiker Theodor zu Guttenberg glaubt, US-Präsident Donald Trump werde vier weitere Jahre regieren. Der ehemalige österreichische Kanzler Christian Kern klagt indes über den Aufstieg des Populismus.
Lech – Der frühere deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der inzwischen als Unternehmensberater tätig ist, rechnet mit der Wiederwahl von US-Präsident Donald Trump. Die Ukraine-Affäre werde die Stimmungslage in den USA nicht umkrempeln. „Ich glaube, wir werden das blonde Glück noch weitere vier Jahre haben“, sagte Guttenberg beim Europäischen Mediengipfel in Lech am Arlberg.
Obwohl viele Entscheidungen des Präsidenten von außen erratisch erschienen, spiegle Trumps Handeln im Kern doch die „amerikanische Gemütslage“ wider. „Er bedient zumindest die gefühlte Hälfte der politischen Erwartung“, analysierte Guttenberg. Trotz aller Kritik erkenne man in den USA, dass Trump liefere.
Die Chancen der demokratischen Präsidentschaftsbewerber schätzt der einstige CSU-Spitzenpolitiker nicht allzu hoch ein. „Die Demokraten liefern im Vorwahlprozess jetzt schon das Futter für die republikanischen Kanonen. Die Partei ist in einem Selbstzerfleischungsprozess“, so Guttenberg, der in den USA gut vernetzt ist. Der Donnerstagabend eröffnete Mediengipfel steht dieses Jahr unter dem Generalthema „Die zerrissene Welt – radikale Entwicklungen und alte Feindbilder im neuen Europa“.
Als Stimme der Vernunft gegen die USA auftreten?
„Gerade gegen die USA als Stimme der Vernunft aufzutreten wäre wünschenswert“, forderte die Israel-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung, Alexandra Föderl-Schmid. Die EU mache sich gerade im Nahen Osten viel zu klein und werde als Player nicht mehr wahrgenommen. Auch Russland nehme die EU kaum mehr ernst: „Solange man nicht klar definiert, dass man wirtschaftliche Zusammenarbeit unter der Hoffnung auf demokratische Verhältnisse in Russland weiterführt, ist der Westen nicht glaubwürdig“, so die russische Berlin-Korrespondentin Anna Rose.
Der EU-Abgeordnete Othmar Karas (ÖVP) sieht den Grund für die lähmende Zerrissenheit der EU in uralten kulturellen und gesellschaftlichen politischen Konflikten, die noch nicht beigelegt seien. „Wir müssen alles dafür tun, dass die Kommission zum Sprecher des Kontinents auf globaler Ebene wird. Wenn wir das nicht schaffen, wird der globale Fokus nach Asien wandern“, sagte Karas.
„Inwiefern kann das Regime in Peking die Entwicklungen in Hong Kong dulden?“, fragte Pascal Thibaut, Deutschland-Korrespondent von Radio France Internationale. „Chinas Regierung wartet einfach, bis die internationale Gemeinschaft das Interesse an dem Thema verliert. Dann machen sie weiter, weil das eine interne Sache ist“, erklärte Qian Sun vom größten privaten Fernsehsender Chinas Phoenix TV.
Kern klagt über Populismus und „alternative Fakten“
Der ehemalige Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern beklagte die globale Ausbreitung des Populismus. Die 2010er-Dekade werde in Zukunft vor allem mit dem Schlüsselbegriff „alternative Facts“ verbunden sein. Letzte Reste von Objektivität und Wirklichkeitsanspruch lösten sich auf, Zweifel werde zum bestimmenden Motiv, zivilisatorischer Fortschritt werde dadurch zerstört. Kern geht aber davon aus, dass das Pendel auch wieder in die andere Richtung ausschlagen wird. Es brauche eine „Restauration der Mitte“ und eine „Restauration der Vernunft“.
Für Christian Kern geht es in der Politik hauptsächlich um Äußerlichkeiten: „Am Anfang meiner politischen Karriere dachte ich, Politik sei 95 Prozent Inszenierung. Tatsächlich sind es wohl 99 Prozent.“ Leider gehe dadurch „viel gestalterisches Potenzial“ verloren.
Seine politische Arbeit in der SPÖ vermisst Kern nicht: „Ich bin gerade in einer Phase, in der der Schmerz gegen null geht“, bemerkte er. „Du kannst es nicht so dumm denken, wie es dann kommt“, berichtete er in Bezug auf seine politischen Erfahrungen. „Ich mache mir über die SPÖ keine Sorgen“, fuhr er fort. Die Mitgliederbasis, die die Vision einer besseren Welt verbinde, werde sich wieder erholen. „Da gibt’s einen sehr intakten Kern“, schloss der Ex-Kanzler.
Kneissl diagnostiziert Spaltung der Welt
Ex-Außenministerin Karin Kneissl diagnostizierte bei der Tagung eine zunehmende Spaltung der Welt. 2013 prognostizierte die von der FPÖ in inzwischen geplatzte türkis-blaue Regierung nominierte Nahostexpertin in ihrem Buch „Die zersplitterte Welt“ für Europa Rechtsruck und Brexit. „Ich habe recht behalten. Dafür braucht man keine Glaskugel.“
„Dieses Europa ist mehr denn je gefragt“, sagte Hans-Peter Siebenhaar, Präsident des Verbands der Auslandspresse Wien. Er empfahl dem Publikum Karin Kneissls Buch „Die zersplitterte Welt“. „Es ist aktueller, als manche glauben wollen“, betonte er. Kneissl warnte davor, dass auch internationale Organisationen wie die NATO oder die OSZE jederzeit zerbrechen könnten. Bereits in der Vergangenheit sei die gemeinsame Außenpolitik aufgrund „unterschiedlicher Interessenlagen“ zerbrochen.
Der Globalisierung stünden Rufe nach Abschottung und Nationalismus gegenüber, meint Kneissl. Internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen oder die NATO würden durch ihre eigenen Mitglieder geschwächt und blockiert. Der Multilateralismus sei so weitgehend zum Erliegen gekommen, erklärte Kneissl. (TT.com, APA)