Irakischer Ministerpräsident kündigt Rücktritt an
Der irakische Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi hat angesichts der massiven Proteste im Land seinen Rücktritt angekündigt. Er werde das Parlament in einem Brief um seinen Rücktritt bitten, erklärte der 77-jährige Regierungschef am Freitag. Mit dem Schritt wolle er verhindern, dass das Land in weitere Gewalt und Chaos abgleite, teilte Abdel Mahdi mit.
Zuvor hatte der einflussreiche schiitische Geistliche Ali al-Sistani das Parlament zur Absetzung der Regierung aufgerufen. Unter den Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in Bagdad brach angesichts der Rücktrittsankündigung Jubel aus.
Das irakische Parlament muss jetzt über das Rücktrittsgesuch des Regierungschefs abstimmen. Der schiitische Politiker war erst vor etwas mehr als einem Jahr nach monatelangem Ringen der stärksten Parteien ins Amt gewählt worden.
Sistani hatte kurz zuvor in seiner Freitagspredigt in der Pilgerstadt Kerbala gefordert, die Abgeordneten sollten „im Interesse des Irak handeln, um das Blut seiner Kinder zu bewahren und zu verhindern, dass er in Gewalt, Chaos und Zerstörung abgleitet“. Der 89-jährige schiitische Großayatollah Sistani genießt großes Ansehen unter den Gläubigen im Irak und verfügt über erheblichen Einfluss auf die politischen Parteien des Landes.
Die Opposition aus den Anhängern von Ex-Regierungschef Haydar al-Abadi und des schiitischen Predigers Moqtada al-Sadr erklärte sich bereit, der von ihm mitgewählten Regierung das Vertrauen zu entziehen. Sadrs Block hatte bei der Wahl im Mai 2018 die meisten Mandate gewonnen.
Auch der Fatah-Block, der der politische Arm der pro-iranischen Hashed-al-Shaabi-Milizen ist, schien dem Appell von Sistani zu folgen und erklärte seine Unterstützung für „die notwendigen Veränderungen im Interesse des Irak“.
Der Irak erlebt seit Wochen die größte Protestbewegung seit dem Sturz von Machthaber Saddam Hussein im Jahr 2003. Bei den seit Oktober andauernden Protesten gegen Korruption, Klientelismus und Misswirtschaft wurden in der Hauptstadt Bagdad und dem schiitischen Süden des Landes bis Freitag mehr als 400 Menschen getötet und über 15.000 verletzt. Trotz Reformversprechen ist es der Regierung nicht gelungen, wieder Herr der Lage zu werden.
Am Donnerstag erlebte das Land einen der blutigsten Tage seit Ausbruch der Proteste. Augenzeugen zufolge kamen seit Mittwochabend bei schweren Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten mindestens 47 Menschen ums Leben. Mehr als 500 wurden demnach verletzt. In der südirakischen Stadt Nassiriya seien 32 Menschen getötet worden, als Sicherheitskräfte mit Schusswaffen und Tränengas gegen Demonstranten vorgegangen seien, in der Stadt Najaf starben demnach 15 Menschen. Dort hatten Demonstranten das iranische Konsulat angegriffen und in Brand gesetzt. Bei den allermeisten Todesopfern handelt es sich um Demonstranten.
Die Justizbehörden kündigten eine Untersuchung an. Die Regierung verschärfte am Freitag die Sicherheitsmaßnahmen. Die oberste Justizbehörde des Landes, der Hohe Justizrat, ordnete die Bildung einer Kommission aus drei Richtern an. Sie sollten eine „dringende Untersuchung“ zum Tod der Demonstranten in Nassiriya einleiten, meldete die staatliche Nachrichtenagentur INA. Menschenrechtsorganisation werfen den irakischen Streitkräften einen unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt gegen die Protest vor.