Finanzierung größtes Problem für österreichische Medien
Die Finanzierung haben Journalisten am Freitag bei einer Podiumsdiskussion in Lech am Arlberg als größtes Problem für österreichische Medien bezeichnet. Für Nana Siebert, stellvertretende Chefredakteurin des „Standard“, ist besonders die Abhängigkeit von politischen Inseraten bedenklich. „Das ist eine subtile Möglichkeit, Druck auszuüben“, sagte sie beim Europäischen Mediengipfel.
„Inserate gehen deutlich an Medien, die nicht ganz so kritisch wie ‚Presse‘, ‚Profil‘, ‚Standard‘ und ‚Falter‘ berichten“, fuhr Siebert fort. „Die wirtschaftliche und redaktionelle Unabhängigkeit ist besonders wichtig, fügte APA-Chefredakteur Johannes Bruckenberger hinzu.
„Wir haben ein hohes Maß an Pressefreiheit in Österreich“, so Bruckenberger. Dennoch habe es unter der türkis-blauen Bundesregierung einige bedenkliche Entwicklungen gegeben, etwa die Informationspolitik des von der FPÖ geführten Innenministeriums. „Der FPÖ-Plan, den ORF aus dem Staatsbudget zu finanzieren, wäre ein massiver Angriff auf die Pressefreiheit gewesen“, betonte er. Mit dem Ibiza-Skandal, den Bruckenberger als „Hochamt des investigativen Journalismus“ bezeichnete, seien viele dieser Bedrohungen aber nicht mehr aktuell.
„Wir sind in Österreich weit von der Situation in Ungarn oder der Türkei entfernt“, gab auch Siebert zu bedenken. Der ungarische Journalist Marton Gergely berichtete, dass niemand mit einer derartigen Verschärfung der Pressefreiheit in seinem Land in den vergangenen Jahren unter dem rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orban gerechnet hatte. So seien 18 Regionalblätter innerhalb von 18 Monaten aufgekauft und an die Stiftung eines regierungsfreundlichen Oligarchen übergeben worden. Ausländische Medienkonzerne würden verdrängt.
Gergely mahnte, nicht nur auf die Themen der Regierung einzugehen. „Wir sollten versuchen, einfach relevant zu sein“, sagte er. Man brauche „mehr Selbstbewusstsein und weniger Selbstzerfleischung“. „Nur das Überleben als Erfolg zu sehen, macht den Journalismus kaputt“, fuhr Gergely fort. Kritischer Journalismus stehe in Ungarn jedoch vor dem Dilemma, durch Paywalls genau diejenigen Menschen nicht mehr anzusprechen, die man erreichen wolle. „Wollen wir sozial Schwache endgültig der Propaganda ausliefern?“, frage er.
Mit dem Aufstieg der sozialen Medien sind für Bruckenberger traditionelle Medien mit wachsender Kritik aus unterschiedlichen Lagern konfrontiert. „Die Rechten halten uns alle für links. Aber auch immer mehr linke, politisch korrekte Menschen kritisieren uns, weil wir nicht jeden Tag schreiben, wie furchtbar die FPÖ ist“, berichtete der APA-Chefredakteur. Der Agenturjournalismus sei von dieser „völlig überschießenden Kritik“ ebenfalls betroffen.
„Es gibt viel überzogene Kritik auch aus dem linken Spektrum“, ergänzte die deutsche Fact-Checkerin Karolin Schwarz. „Mir hat aber noch nie ein Linker ein Foto einer zerstückelten Frau geschickt. Da gibt es schon einen Unterschied in der Radikalität“, betonte sie.
„Ein Großteil der Angriffe über die sozialen Medien kommt aus einem rechtsradikalen Spektrum, weil Hass und Wut im Internet funktionieren“, berichtete Schwarz. Diese Aggression habe sich jedoch auch auf die reale Welt verlagert. Sie berichtete von Kollegen, die bei Demonstrationen um ihre eigene Sicherheit bangen müssten. „Der Ton wird deutlich radikaler“, sagte sie. Die deutschen Sicherheitsbehörden würden diese Bedrohungen nicht immer ernst nehmen.
„Die Demokratie hat im Volk noch die größte Zustimmung, das Publikum ist unser Verbündeter“, sagte Bruckenberger. Ziel sei es, glaubwürdige Inhalte zu schaffen, die eine „bestmögliche Annäherung an die Realität“ lieferten. Alle Diskutanten wünschten sich darum ein staatliches Informationsfreiheitsgesetz.
Siebert forderte zudem eine Vertiefung der Medienkompetenz in den Schulen: „Ich spreche von Zwölfjährigen, denen man erklären muss, wo Fake News und Populismus beginnen und wie sich diese von seriösen Meldungen unterscheiden können.“ Dies sei Aufgabe der Bildungsinstitutionen und der Medien. Für Schwarz beschränkt sich dies jedoch nicht nur auf die Schule. „Mir fehlt in der Debatte, wie man an die Älteren herangeht. Ich würde da auch schon bei den 30ern und nicht erst bei den 50ern anfangen“, erklärte sie.